Nach der Ausstellung

Die Reaktion der Bevölkerung

Die Reichsausstellung ‚Schaffendes Volk‘ schloss am 17. Oktober 1937 ihre Pforten. Nach offiziellen Angaben hatten in den 163 Ausstellungstagen 6.904.907 „ Propagandisten für den Vierjahresplan“ die Schau besucht, also etwa so viele Menschen, wie im 50-Kilometer-Umkreis von Düsseldorf lebten. Allerdings waren nur 4.344.028 Karten verkauft und zusätzlich ca. 50.000 an Presse und Ausstellungsgäste unentgeltlich abgegeben worden. 1 Die Differenz zwischen der Anzahl der verkauften Karten und der offiziell angegebenen Besucherzahl kann u.a. durch den mehrfachen Besuch der Dauerkartenbesitzer zustande gekommen sein – schließlich wurde allein jede Bewegung der Siedlungsbewohner an den Kassenhäusern registriert.

A800 Der dreimillionste Besucher erhält von der Ausstellungsleitung ein Willkommensgeschenk Q Maiwald 1937 Bd. 1, o.S
A800 Der dreimillionste Besucher erhält von der Ausstellungsleitung ein Willkommensgeschenk Q Maiwald 1937 Bd. 1, o.S

Es ist anzunehmen, dass die tatsächliche Besucherzahl bei etwa vier Millionen lag. Die Zahl der Personen, die den propagandistischen Teil der Ausstellung besuchten, verringert sich weiter, wenn man die Art der verkauften Karten berücksichtigt, denn einen nicht unerheblichen Anteil – etwa 1,2 Mio. Stück – stellen die Abendkarten dar, die nur den Zugang zur Gartenausstellung und zum Vergnügungspark gewährten. Ein Großteil der Karten – etwa 2 Millionen Stück – wurde durch Sammelbestellungen der NSDAP-Organisationen oder von Firmen und als Schülerkarten und Tagungskarten vergeben, was die Zahl der Besucher, die aus eigener Motivation die Schau sahen, nochmals dezimiert. Auch die geringe Zahl der verkauften Kataloge (108.256 Exemplare) und Pläne (27.725 Exemplare) zeigt, dass das Interesse der Bevölkerung an der eigentlichen Ausstellung nicht so groß war, wie die Organisatoren der Ausstellung gerne glauben machen wollten. Das Attribut des ‚großen Erfolgs‘, welches der Ausstellung durch die propagandistische Aufbereitung des Endergebnisses bescheinigt wurde, muss daher relativiert werden. Das mangelnde Interesse, wie es auch durch die Aussagen des Berichterstatters der SoPaDe bestätigt wurde, der von leeren Hallen berichtet hatte, beruhte teilweise auf einer ablehnenden Haltung der Bevölkerung gegenüber der Ausstellung und gegenüber dem Regime. Zumindest in Düsseldorf war die Stimmung nicht besonders positiv, denn kurz vor der Ausstellungseröffnung hatte der Esch-Skandal reichsweit Schlagzeilen gemacht und das Vertrauen der Bevölkerung stark erschüttert. Der Steuerdirektor Esch hatte mit fünfzehn Komplizen jahrelang Düsseldorfer Firmen erpresst, indem er kleine Unregelmäßigkeiten in der Buchführung suchte und die Unternehmen damit unter Druck setzte. Auch Oberbürgermeister Wagenführ und Gauleiter Florian waren in den Skandal verwickelt. Durch die Ausstellung waren weitere Verdächtigungen und Unterstellungen gediehen. Das Misstrauen der Düsseldorfer gegenüber der Gauclique wuchs selbst unter Nationalsozialisten. 2

Der nicht ganz unbegründete Verdacht, dass einige Mitglieder der Ausstellungsleitung und der Gauführung sich an der Schau bereichert hatten wuchs und machte Stimmung gegen die Ausstellung, was sich schon im Karnevalszug von 1937 niedergeschlagen hatte: Die Düsseldorfer hatten es gewagt, „mit lustigen Wagen ihre eigene Ausstellung zu ‚veräppeln'“ und machten „Witze über die neuen Werkstoffe“ 3 . Der Hauptschriftleiter der Ausstellung, Richard W. Geutebrück, der dies in dem Abschlussbericht von 1939 erwähnte, meinte, diese „humorvolle Selbstkritik“ aus dem „Herzen der Düsseldorfer“ sei – „was kaum einer gemerkt hatte“ – „Propaganda für die Ausstellung“ gewesen, „rheinisch getarnt“! 4 Dies war allerdings kein nachträglicher Karnevalsscherz, denn man hatte von Anfang an geplant, den Düsseldorfer Rosenmontagszug werbewirksam zu nutzen. Man war sogar gewillt, sich an den Kosten für Zugwagen mit bis zu 5.000 RM zu beteiligen, solange die Ausstellung ausreichend thematisiert würde. 5 Allerdings hatte man eher gehofft, durch „künstlerisch einwandfreie“ Wagen besondere Merkmale, wie die Leuchtorgeln u.ä. zu popularisieren, um so insbesondere die holländische Presse zu beeindrucken, damit diese in der Heimat die Werbetrommel für die zukünftige Ausstellung betätigen möge. 6 Von der verbotenen KPD wurde die auch unter dem etwas zynisch wirkenden Namen „Schlafendes Volk“ 7 bekannte Ausstellung zum Anlass genommen, eine Tarnschrift zu verteilen, die die Besucher über die faschistische Kriegsvorbereitung aufklären sollte und zum Kampf gegen Hitler rief. Die Vorderseite der Tarnschrift war identisch mit der Form und der Gestaltung des offiziellen Stadtplans, der an die Besucher der Ausstellung verteilt wurde und war so von außen eher unverdächtig. 8

A801 Tarnschrift der KPD Q Altmann u.a.(Hg.) 1975, o.S
A801 Tarnschrift der KPD Q Altmann u.a.(Hg.) 1975, o.S

Zu erwähnen bleibt noch, dass die Ausstellung entgegen gegenteiliger Ansicht immerhin so aufregend gewesen sein muss, dass neben drei Verkehrstoten und einem Selbstmord auch vier Personen aufgrund eines Herzschlags ihr Leben verloren. Daneben hatte sich die eigens für die Ausstellung eingerichtete Schutzpolizei mit 63 Unfällen, 26 Verletzten, 12 kleineren Bränden sowie Sturmschäden und Gerüsteinstürzen zu beschäftigen, von 678 verlorenen Gegenständen und 148 verlaufenen Kindern ganz zu schweigen. 9

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1. In dieser Zahl sind nicht jene Karten enthalten, die für das Personal der Ausstellung bestimmt waren, denn Personalkarten gab es nicht kostenlos, sondern wurden zu je 1 RM verkauft, Statistik in Maiwald 1939:112
2. Vgl. Weidenhaupt 1983:175
3. Geutebrück 1939:62
4. Geutebrück 1939:61 f
5. StAD xviii 1776, o.D.
6. StAD xviii 1776, o.D.
7. Geutebrück 1939:61
8. Baumöller 1989:115
9. Hattropp 1939:19

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