Die nächste Ausstellung in Düsseldorf sollte erst 23 Jahre später stattfinden. Die Idee für die angestrebte Gewerbeschau ging von dem Niederrheinischen Bezirksverein Deutscher Ingenieure aus, und war vor allem in der mangelhaften Repräsentanz Deutschlands bei der Weltausstellung in Philadelphia 1878 begründet. Deutsche Unternehmen hatten zwar die Weltausstellungen in Paris 1867 und in Wien 1873 angemessen beschickt, waren aber dem Wunsche der Deutschen Reichsregierung nachgekommen, sich nicht an der amerikanischen Ausstellung zu beteiligen. 1 Als die deutsche Regierung in letzter Minute doch noch die Beteiligung beschloss, erlaubte der Zeitdruck lediglich eine Teilnahme, die allgemein als „partiell und selbst in dieser Gestalt nur ungenügend“ 2 beschrieben wurde. Um den Vorwurf, Deutschland scheue den internationalen Vergleich, Lügen zu strafen, suchte man den Beweis zu führen, dass die Errungenschaften des Deutschen Reiches denen anderer Nationen nicht nachstünden. Zu diesem Zweck bot sich die Ausrichtung einer Provinzial-Industrieausstellung an, in der das rheinisch-westfälische Gebiet zeigen sollte, zu welchen herausragenden Leistungen es fähig war. Das Hauptkommitee der Ausstellung bestand fast ausschließlich aus Düsseldorfer Industriellen, allen voran Heinrich Lueg, 3 Mitglied des einflußreichen Industriellen-Clans Lueg, der durch seine engen Beziehungen zu anderen Industriellen-Familien ein Garant für gute Beteiligung und somit für einen erfolgreichen Abschluss der geplanten Ausstellung war. Lueg setzte sich nicht nur mit allen Kräften für die Gewerbeschau ein, sondern wandte sich auch an die Künstlerschaft, deren Werke er gerne in Verbindung mit den Industrieprodukten zeigen wollte. Als Ausstellungsort bot sich die Stadt Düsseldorf an, die als „ungemein geeignet“ 4 galt und ausgezeichnete Beziehungen nach Frankreich, Belgien, Holland und England besaß. 5 Als weiterer Pluspunkt galt die Lage Düsseldorfs am Rhein und die damit verbundene Rheinromantik, die bereits in jenen Jahren einen wichtigen Werbefaktor darstellte. Nicht zu unterschätzen war auch die bereits vorhandene Infrastruktur, die neben guten verkehrs-technischen Anbindungen auch ausreichend Hotels und zur Entspannung Vergnügungsetablissements für die Besucher bot.
Bei der Suche nach dem geeigneten Gelände wurde mancher Vorschlag verworfen, so beispielsweise der eines Industriellen, der eine Fläche nahe des Köln-Mindener Bahnhofs zur Verfügung stellen wollte. Da man auf eine erfolgreiche Ausstellung und entsprechend hohe Besucherzahlen hoffte, wollte man die Ausstellung nicht in der verkehrstechnisch bereits ausgelasteten Innenstadt stattfinden lassen, sondern einigte sich nach langen Verhandlungen auf das gut 17 Hektar große Gelände des Zoologischen Gartens und die sich anschließenden Grundstücke der Rettungsanstalt Düsseltal. Man konnte das Gelände für 45.000 Mark pachten, 6 baute Eisenbahnanschlüsse, Wasser- und Abwasserleitungen und siedelte die Zootiere kurzerhand um. Durch die infrastrukturelle Anbindung des Düsseldorfer Zooviertels an den bestehenden Stadtkern wurde die Ausdehnung Düsseldorfs gen Nordosten vorangetrieben und der Grundstein für eines der teuersten Stadtviertel der Kommune gelegt. 7 Die städtebaulichen Veränderungen, die im Zuge der Planung zur Gewerbeausstellung von 1880 durchgeführt wurden, markieren in der Geschichte des Düsseldorfer Ausstellungswesens den Beginn der städtebaulichen Impulse, die ihren Ursprung in der Suche nach einem geeigneten Ausstellungsgelände fanden. Auch bei den Planungen für die kommenden Ausstellungen sollte die Diskussion um ein geeignetes Gelände immer wieder aufflammen.
Am 9. Mai 1880 konnte die ‚ Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen, und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer Allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung‘ eröffnet werden. In rund 100 Einzelbauten, auf 3,2 ha bebauter Fläche, zeigten 3.049 Firmen ihr Angebot. Die von wuchtigen Türmen dominierten, palastartigen Hauptbauten der Architekten Gerhard Frings und Boldt, mit ihren großen Kuppeldächern und hohen Portalen erinnerten an die alte Residenz Düsseldorf. Der Entwurf für die 32.000 qm große Halle war als Sieger aus einem Wettbewerb für die Haupthalle hervorgegangen. 8 Die Aufteilung des Geländes machte es notwendig, den Haupteingang auf die Schmalseite des 102 m mal 360 m großen Gebäudes zu legen. 9 20 große und 80 kleinere Hallen und Pavillons, meist mit Teerpappe gedeckte Holzkonstruktionen, ergänzten das Bild. 10
Zur Ausstellungseröffnung sangen Gastgeber und Gäste „Heil Dir im Siegerkranz“, die schwere Eingangspforte wurde mittels eines Schlüssels, den Lueg dem Oberpräsidenten der Rheinprovinz überreicht hatte, hydraulisch im Boden versenkt. Wagners Einzugsmarsch aus dem „Tannhäuser“, begleitet von dem beginnenden Schnauben und Rattern der Maschinen im Hintergrund bildeten die imposante Kulisse für den Einzug in die Ausstellung. Im Gegensatz zu früheren Festlichkeiten dieses Ausmaßes wurden nicht durch Glockengeläut, Gottesdienst und Truppenparaden kirchliche und nationale Traditionen in den Vordergrund gestellt, sondern hier sollten ganz offensichtlich die Exponate, Technik und Maschinen, die Hauptrolle spielen. 11
Über eine Million Besucher kamen zu dieser Schau, die die Leistungsfähigkeit der rheinisch-westfälischen Industrie beeindruckend darstellte. 12 Besondere Bewunderung riefen das gezeigte Telefon, die elektrische Miniaturbahn durch das Ausstellungsgelände, die „gleich Sonnen strahlenden Bogenlampen“ sowie ein Dutzend Exemplare der ein Jahr zuvor erfundenen Glühbirnen hervor. 13 Große Beachtung fand auch die gleichzeitig stattfindende Kunstausstellung und die damit verbundene Sonderausstellung rheinischer und westfälischer Kunstaltertümer. Als am 30. September 1880 die Ausstellung zu Ende ging, konnte bei Ausgaben in Höhe von 2.000.266 M ein Reingewinn von 261.702 M verbucht werden. Von diesem Überschuss erhielten außer dem Domkapitel zu Limburg ausschließlich Düsseldorfer Institutionen Spenden, wie z.B. das Kunstgewerbemuseum. 14 Der Restbetrag von 204.000 M sollte dem am 27. Juni 1882 gegründeten ‚Central-Gewerbe-Verein‘ zugute kommen, der unter der Leitung eben jener Herren stand, die – mit wenigen Ausnahmen – ebenfalls im Vorstand der Ausstellungsausschusses von 1880 gesessen hatten. 15 Ziel des Vereins war, deutsche Ware gegen internationale Konkurrenz zu stärken, indem nicht nur die Qualität der Produkte, sondern auch deren formale Gestaltung verbessert werden sollte. Als „Wegbereiter für die Ideen des Deutschen Werkbundes“ 16 hat sich dieser Verein verdient gemacht.
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1. Hüttenberger 1989:42 2. Engst 1949:29; vgl. Fritz Renleaux: Briefe aus Philadelphia, Braunschweig 1877:7 3. Düsseldorfer Großindustrieller, gest. 17.6.1917, organisierte die Ausstellungen 1880 und 1902, die Rheinbahn, sowie den Industrieclub, ließ die Oberkassler Brücke bauen und initiierte so die Erschließung Oberkassels, s. Hüttenberger 558 4. Zit. in Hüttenberger 1989, S. 43
5. Hüttenberger 1989:43
6. Neusen [1979?]:21
7. Hüttenberger 1989:47
8. Neusen [1979?]:15
9. Katalog Gewerbeausstellung 1880:21
10. Neusen [1979?]:15
11. Vgl. Hüttenberger, 1989:48
12. Neusen [1979]:16
13. Engst 1949:34
14. Wilden 1937:114
15. Hüttenberger 1989:55
16. Engst 1949:35