Das Reichsheimstättenamt, Kopf aller Gauheimstättenämter, war bereits in der Weimarer Republik gegründet worden, um für die Errichtung von Kleinwohnungen zu sorgen und somit zur Sicherung des sozialen Friedens beizutragen. Schon in der Weimarer Republik hatte es einen bedrohlichen Wohnraummangel gegeben, der Wilde Siedlungen und Kleingartenkolonien hatte entstehen lassen. Um diese ungeregelte Bautätigkeit in feste Bahnen zu leiten und Wohnungslosen zu einem eigenen Heim zu verhelfen, versuchte man die Bodenspekulation zu unterbinden, indem die Städte verpflichtet wurden, billigen Baugrund zur Verfügung zu stellen und den Bauherren Kredite und finanzielle Unterstützung gewährte. 1
Die Nationalsozialisten übernahmen nicht nur das Reichsheimstättenamt der Weimarer Republik, sondern auch dessen Idee, Arbeitslosen und Minderbemittelten zu einem Kleinsiedlungsheim mit einem Stück Land zu verhelfen, welches den Siedlern die Möglichkeit bot, sich weitgehend selbst zu versorgen. Dies stellte die optimale Lösung für die Auflösung der Städte und die Wiederanbindung der Stadtbevölkerung an den heimischen Boden dar und sollte gleichzeitig dazu dienen, den großen Kreis von Arbeits- und Wohnungslosen zu beschäftigten und unterzubringen, also ein potentielles Unruhepotential ruhigzustellen. 2 Die Nationalsozialisten übernahmen allerdings nicht die finanzielle Unterstützung, die unter der Brüning-Regierung gewährt worden war. Das öffentliche Programm zur Errichtung von Kleinsiedlungen hatte vor 1933 sowohl Grundstücke als auch Baumaterial zur Verfügung gestellt und dafür den Siedlern einen Großteil der Arbeit abverlangt. Im ‚Dritten Reich‘ wurden die Subventionen für den privaten Wohnungsbau dagegen drastisch eingeschränkt und statt dessen die Kosten auf die Bauwilligen abgeschoben. So wurde die sogenannte ‚ Hauszinssteuerhypothek‘, die die Finanzierung von fast der Hälfte aller Wohnungsbauten zwischen 1924 und 1929 gesichert hatte, um 80% gedrosselt. 3 Die Gesamtsumme zur Förderung des Wohnungsbaus betrug in der Weimarer Republik 7,4 Mio. RM p.a., zwischen 1933 und 1934 betrug diese Summe nur noch 1,9 Mio. RM, obwohl führende Ideologen wie Strasser und Feder die Wohnungsbaupolitik als eine der dringendsten Aufgaben der NS-Politik bezeichneten. 4 Statt diesen Forderungen durch finanzielle Hilfen nachzukommen, wurde das Geld für Rüstung und Wehrhaftmachung ausgegeben und wurden der Öffentlichkeit durch großangelegte Propagandafeldzüge die ‚Leistungen des Nationalsozialismus‘ in Form einiger weniger Musterbauten, vor allem auf Siedlungsausstellungen, vorgegaukelt, die weder die Quantität noch die Qualität der realen Bauleistungen widerspiegelten. Den größten Aufwand beim Wohnungsbau betrieb das Regime tatsächlich auf dem Gebiet der Propaganda, die eine nicht existierende rege Bautätigkeit vorgab, indem die Ergebnisse der Ausstellungen immer wieder herausgestellt wurden. 5 Diese ‚Potemkinschen Dörfer‘ wurden der Bevölkerung nicht zuletzt durch die äußerst geschickte fotografische Darstellung von Architekturmodellen in den verschiedensten Zeitungen und Zeitschriften wieder und wieder präsentiert, um „das Dritte Reich als eine einzige Baustelle vorzuführen“. 6 Bauhilfen beschränkten sich dagegen auf Steuererleichterungen, die arbeitslosen Familienvätern jedoch kaum nutzten. Die Finanzierung der Bauten lag also weitgehend in der Hand privater Kleinsiedler.
Die Idee der Kleinsiedlung stammte von Stephan Poerschke, der sie als „handwerklich-gärtnerischen Betrieb in unmittelbarer Nähe der Großstädte“ definierte, „dessen Größe so bemessen ist, dass er dem Siedler und seiner Familie bei durchschnittlicher Tätigkeit einen bescheidenen Lebensunterhalt gewährt.“ 7 Solche Kleinsiedlungen wurden nun auch unter der Regie der Nationalsozialisten gebaut. Der Leiter des Düsseldorfer Heimstättenamtes Schmalhorst glaubte zwar, dass die Zeit der „Kleckersiedlungen“ aus den Jahren 1931-1934 bald vorbei sei. 8 Das Gegenteil aber war der Fall. Am herkömmlichen Siedlungsbau änderte sich im Prinzip nichts. Lediglich der Qualitätsstandard der Siedlerstellen blieb weit hinter dem in der Weimarer Republik gesetzten zurück. 9 Bereits vor 1933 begonnene Projekte, wie die Arbeitslosensiedlungen in der Düsseldorfer Golzheimer Heide oder ‚Am Tannenhof‘, 10 wurden unverändert weitergebaut, und auch bei der Planung neuer Siedlungen bediente man sich der Konzepte der Weimarer Republik. 11 Die wenigsten der für den Wohnungsbau Verantwortlichen bauten nach Feders Anweisungen, die „gummiartige“ Ausdehnung der Städte vermeidend und fuhren statt dessen damit fort, die Peripherie städtischer Ballungszonen durch den Bau konventioneller Reihen- und Mehrfamilienhäuser zu erweitern. 12 Dies geschah aus zweierlei Gründen: Zum einen hatten die Nationalsozialisten keine eigene einheitliche architektonische Vorstellung, die sie hätten alternativ umsetzen können. Selbst verwaltungstechnisch und rechtlich bediente man sich des Verwaltungsapparates der Weimarer Republik, wobei sämtliche Institutionen gleichgeschaltet wurden. 13 Andererseits – und das war wohl ausschlaggebend – boten die Kleinsiedlungen ein sehr preiswertes Mittel, die Arbeitslosenzahlen zu reduzieren. Ein weiterer positiver Nebeneffekt war die Ankurbelung der Wirtschaft, insbesondere auf dem Bausektor, die freilich nur so lange als positiv empfunden wurde, wie sie nicht der schnell wachsenden Rüstungsindustrie Rohstoffe und Arbeitskraft entzog.
Die Akzeptanz dieser Siedlungen bei der Bevölkerung war relativ hoch, da seit der Industrialisierung ein Großteil der Arbeiter in Mietskasernen untergebracht war und ein Verlangen nach „ruhigen und als sicher empfundenen“ Städten und nach Natur sich ausbreitete. 14
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1. Peltz-Dreckmann 1978:73 f
2. Peltz-Dreckmann 1978:81
3. Teut 1967:252
4. Miller-Lane 1986:195; Teut 1967:251
5. Miller-Lane 1986:200
6. Petsch 1987:21
7. Zit. in Peltz-Dreckmann 1978:81
8. StAD NL Ebel 51, Brief von Schmalhorst an Florian vom 26.6.1937
9. Teut 1967:251
10. Diese Häuser waren von einfachster Qualität, mit Abort-Kompostierung etc. Die Stadt hatte diese Bauten besonders billig errichten lassen, da die Bewohner nie in der Lage sein würden, 20-25 RM für die monatliche Belastung aufzubringen. Unter den Düsseldorfer Stadtverordneten gab es unterschiedliche Meinungen über dieses von Meyer stark kritisierte Baukonzept, StAD NL Ebel 51, Brief von Schmalhorst an Ebel vom 26.4.1937; vgl. auch Denkschrift 1934:5, die den Bau von billigen Wohnungen auf Kaufgrundstücken mit Straßen- und Kanalbaukosten als nicht machbar erachtet
11. Hüttenberger 1989:528
12. Miller-Lane 1986:195
13. Miller-Lane 1986:195
14. Peltz-Dreckmann 1978:44