1926: Gesolei. Große Düsseldorfer Ausstellung für Gesundheitspflege, Soziale Fürsorge und Leibesübungen

 Mit der Realisierung der ‚Gesolei‘ im Jahre 1926 wurden alle bisher erzielten Ergebnisse übertroffen. Der Name war das Akronym des offiziellen Titels ‚Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen‘. Der Name der Ausstellung machte schon die Idee, die dahinter steckte, deutlich. Ernst Poensgen, der erste Vorsitzende des Ausstellungsvorstandes und Initiator der Ausstellung, 1 fasste den Gedanken der Gesolei so zusammen:

„Wenn wir uns wieder emporarbeiten und als freies Volk auf freiem Grund und Boden schalten und walten wollen, dann gibt es nur den einen Weg: mit allen Mitteln versuchen, möglichst bald alle Lasten abzutragen. Derartige Leistungen verlangen ein dauerndes Höchstmaß an vollwertiger Arbeit und können nur dann vollbracht werden, wenn die Menschen, von denen sie verlangt werden, durch und durch gesund sind. Und hierin liegt der Kernpunkt der Bedeutung der Gesolei für Deutschlands Wirtschaft.“ 2

Bereits im Jahre 1924 hatte man auf einer Innsbrucker Tagung der ‚Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte‘ beschlossen, in Düsseldorf die nächste Sitzung abzuhalten, so denn der Boden frei sei von fremder Besatzung, den Franzosen. 3 Um den Tagungsgästen nebenbei auch die aktuellen Themen der Gesundheitspflege zu präsentieren, entschloss man sich, parallel zur Tagung eine Ausstellung zu veranstalten: die Gesolei. Die Stadt setzte große Hoffnungen auf diese Ausstellung, denn seit den Kriegsjahren hatte sich die Bevölkerungsstruktur Düsseldorfs deutlich verändert, zum Negativen, wie man meinte. In einem Verwaltungsbericht für die Jahre 1925-1928 heißt es, dass „aus der heiteren, schönen Stadt am Rhein (…) plötzlich ein Herd schwerster Unruhen geworden (sei), den jeder mied“ 4 . Die Veranstaltung einer großen Ausstellung sollte nun dazu dienen, den ursprünglichen Charakter wieder herzustellen, nach innen durch den Besucherstrom die kommunale Wirtschaft zu beleben und nach außen Lebens- und Kampfwillen zu demonstrieren, nicht zuletzt, um die in finanziellen Engpässen steckende Stadt wieder kreditwürdig zu machen. 5

Am 11. Dezember 1924 gründeten Oberbürgermeister Lehr, der Leiter der Medizinischen Akademie zu Düsseldorf Prof. Arthur Schlossmann, Ernst Poensgen sowie acht weitere führende Herren der Düsseldorfer Wirtschaft und Verwaltung den Verein ‚Große Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen‘. 6 Die Frage nach dem Ausstellungsgelände war auch schnell beantwortet: Schlossmann als geschäftsleitender Ausstellungsvorstand wollte die Ausstellung „in die Stadt“ legen und nicht das im Stadterweiterungsplan vorgesehene Ausstellungsgelände in Golzheim-Stockum nutzten. 7 So wählte man ein 120.000 qm großes Gelände am Rhein im Norden Düsseldorfs, im Süden begrenzt durch die Rheinbrücke (Oberkassler Brücke), östlich durch die Cecilienallee und westlich durch den Rhein. Im Norden bedeutete der Yachthafen den Endpunkt. Als Ausstellungsarchitekten bestimmte man Wilhelm Kreis, der nördlich der Brückenrampe ein Planetarium baute, von dem aus senkrecht zur Brücke eine Achse verlief, die über den von vier überdimensionalen Vasen begrenzten Platz zum Ehrenhof führte, der durch Bauten gebildet wurde, die sowohl von der Backsteingotik und als auch dem Klassizismus beeinflusst waren. Schräg versetzt und direkt am Rhein gelegen befand sich ebenfalls in rotem Backstein die Rheinterrasse. Alle Gebäude erhielten durch die dunkle Farbgebung und die streng vertikale Gliederung ein eher ernstes Gepräge. Dies wird besonders durch die Monumentalität und die fast geschlossene Fläche der zum Rhein gewandten Rückseite des Hauptkomplexes unterstrichen. Das Planetarium wirkte durch die runde Formgebung, die feine Gliederung und die leichte, zurückgesetzte Kuppel wesentlich weniger bedrohlich, das gleiche gilt für das Restaurant am Rhein. Neben diesen nach Plänen von Professor Wilhelm Kreis 8 errichteten Dauerbauten, wurden mehr als 150 Hallen, Einzelhäuser und Pavillons – fast ausschließlich aus Holz – gebaut.

A41 Die Gesolei Q Hüttenberger 1989.374
A41 Die Gesolei Q Hüttenberger 1989.374

Inhaltlich griff die Gesolei medizinische, soziale und hygienische Probleme auf, wie es ebenfalls unter der Leitung von Schlossmann auch eines der zentralen Anliegen der entfallenen Ausstellung von 1915 gewesen war. Der Aufbau unterteilte sich in die drei im Namen verzeichneten Gruppen: Für die Abteilung Gesundheit war der Direktor des Hygienischen Instituts der Medizinischen Akademie in Düsseldorf, Prof. Bürgers, organisatorisch verantwortlich, für die soziale Fürsorge der Dezernent für das Wohlfahrtswesen Reuter und für die Leibesübungen Geheimrat Dr. Wilms. Ergänzt wurde der ideologische Teil der Ausstellung durch zahlreiche industrielle Schauen, insgesamt 910 gewerbliche Aussteller, sowie eine Kunstausstellung und eine relativ kleine Gartenausstellung, die nur etwa drei Hektar Raum einnahm, jedoch größere Mengen Pflanzen zeigte. 9

Die Präsentationsformen der Gesolei waren interessant und aufschlussreich und wurden von Fachleuten positiv bewertet. Generell sind deren Inhalte auf technischem und wissenschaftlichem Gebiet als sehr modern und fortschrittlich zu bezeichnen, während in ideologischer Hinsicht das Prädikat fortschrittlich eher durch zukunftsweisend ersetzt werden sollte: Zwar bemühte man sich durch die Ausstellung um das Volkswohl – man sah in der Ausrichtung der Gesolei einen wichtigen Schritt zur Heranziehung gesunder, froher und zufriedener Deutscher 10 – doch bewiesen neben der hier erstmalig gezeigten Rassenhygiene und der Vererbungslehre auch deutliche Ansätze einer Blut- und Bodenpolitik eine nationalistische Haltung, die wenige Jahre später als offizielle Ideologie des NS-Regimes populär werden sollte. Simon schrieb in dem zweibändigen Abschlussbericht der Gesolei von einem deutschen Volk, das durch die „Entfremdung ganzer Volksschichten von der Natur und der heimischen Erde – der Wurzellosigkeit … an den Rand seines Untergangs gebracht“ sei und „in den Städten verweichlicht“. 11

Die Ausstellung schloss mit einem sehr guten Erfolg ab. Bedingt durch die ausgezeichnete Werbung in der Vorbereitungsphase und durch zahlreiche Kongresse und Tagungen, die weitere Besucher anlockten, konnten 7,5 Millionen Besucher registriert werden. Die Resonanz des In- und Auslandes war durchweg positiv, ja gar euphorisch: Sogar das französische Blatt ‚Le Petit Journal‘, das damals nicht gerade als deutschlandfreundlich gelten konnte, schrieb über die Düsseldorfer Ausstellung: „Die Stadt Düsseldorf ist sich, wie sie von sich selbst sagt, der Nützlichkeit ihrer Schöpfung bewußt. Sie hofft, hierdurch nicht allein dem Wiederaufbau Deutschlands, sondern auch dem allgemeinen Wohl der Menschheit zu dienen (…). Solche Absichten nötigen uns Hochachtung ab, ganz gleich, wer sie faßt.“ 12

A42 Gesolei 1926 Q privat
A42 Gesolei 1926 Q privat

Der Erfolg dieser Ausstellung wirkte noch lange nach und der Begriff ‚Gesolei‘ blieb in aller Munde. Noch im Jahre 1951 machte Herbert Engst den Vorschlag, 1956 in Düsseldorf die Gesolei zu wiederholen. Die Gesolei als „populärste Veranstaltung in den Mauern unserer Stadt“ 13 sei zwar in mancherlei Hinsicht gegenüber ihren Vorgängerinnen (die Ausstellungen 1880 und 1902) zurückgeblieben, doch sei sie zum größten Teil eine ideelle Schau gewesen, die verhältnismäßig wenig Aussteller der Industrie, des Gewerbes und Handwerks zeigte, und somit den aktuellen Bedürfnissen der Fünfziger Jahre entgegenkommen würde. 14

Aufgrund dieser außerordentlichen Popularität ist es nicht verwunderlich, dass auch 1934, als die Planungen für die Ausstellung ‚ Schaffendes Volk‘ begannen, die Erinnerung an die legendäre Ausstellung von 1926 noch sehr wach war, obwohl seither 21 weitere Ausstellungen und Schauen stattgefunden hatten.

Insgesamt waren während der Zeit des Nationalsozialismus bis 1941 in Düsseldorf 19 Expositionen und Schauen zu sehen, meist Schauen mit einem begrenzten Thema wie ‚Frauen wirken in Haus und Familie‘ mit 150.000 Besuchern in fünf Wochen 15 oder ‚Menschen am Sonntag‘, 1933. Nach der Machtübergabe zeigte man verstärkt nationalsozialistisch ausgerichtete Ausstellungen wie ‚Handel und Handwerk im Ständestaat‘, 1933 oder ‚Kampf der NSDAP‘, 1934.  [→ weiter]


1. Hüttenberger 1989:380
2. Engst 1949:74
3. Engst 1949:74
4. Zit. in Hüttenberger 1989:373
5. Hüttenberger 1989:374
6. Engst 1949:74
7. Engst 1949:74
8. Zu den Kreisschen Ausstellungsbauten s. Preiß 1993
9. Hüttenberger 1989:373ff
10. Ernst Poensgen in seiner Eröffnungsansprache, vgl. Hüttenberger 1989:374
11. Hans Simon 1927:541
12. Zit. in Engst 1949:88
13. Maschinenschriftliches Exposé von Herbert Engst vom 29.10.1951; StAD iv 13184
14. Maschinenschriftliches Exposé von Herbert Engst vom 29.10.1951. Engst war nicht der einzige, der mit dieser Idee aufwartete. 1954 wurde der Vorschlag erneut dem Oberstadtdirektor vorgelegt, der zwar interessiert war, jedoch aus Kostengründen ablehnte; StAD iv13184
15. Stenographische Verhandlungsberichte der Stadtverordnetenversammlung zu Düsseldorf 28.4.1930:97

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