Die Hallenschau

Für die Aussteller aus Staat, Industrie und Wirtschaft sowie für die Versorgung und das Vergnügen der Besucher wurden 42 Hallen mit einer Fläche von bis zu 5.400 qm errichtet. Weitere 30 Pavillons sowie 20 Gasthäuser 1 ergänzten die Hallen, womit eine Gesamtausstellungsfläche von 72.492 qm 2 zur Verfügung stand. Die Kosten allein für die festen Bauten hatten 1.107.778,05 RM betragen, insgesamt schlugen die Kosten mit über 6,5 Mio. RM zu Buche. Für die Aussteller und vor allem die Regierung war die wichtigste Komponente der Ausstellung ‚Schaffendes Volk‘ zweifellos die propagandistische Botschaft der Vierjahresplanschau sowie die Werkstoffschau innerhalb der Hallen. Der erste Eindruck, den die Hallen auf den Besucher machten, wurde jedoch durch die Sprache der Architektur vermittelt.

A600 Süßwarenkiosk am Hauptfestplatz Q MB 1937.343
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Die Architektur der Hallen

Die 42 Hallen und 30 Pavillons der Ausstellung boten einen Anblick, der sowohl von der restlichen Architektur der Ausstellung, als auch von der durch die Nationalsozialisten hauptsächlich propagierten Bauform stark abwich. Waren besonders die Siedlungshäuser und die Gebäude in der Gartenschau sehr traditionell (u.a. Forsthaus, HJ-Heim) und die repräsentativen Bauten eher neoklassizistisch gestaltet (Neue Kunstakadmie), so fielen die Hallen durch moderne Formen und Konstruktionen auf. Ruhige weiße Fassaden mit langen Fensterreihen und Flachdächern dominierten das Bild. Arkadengänge oder Säulen waren ihres klassizistischen Pathos beraubt und demonstrierten nüchternes, teilweise auch südlich leichtes Flair.

Die Gestaltung der Hallen unterlag im wesentlichen den funktionalen Erfordernissen, sie wurden sämtlich als Provisorien, nicht als Dauerbauten errichtet, die eine wie die andere Halle musste „von Grund auf wachsen, den sachlichen Anforderungen schon im Grundriß vollauf gerecht sein, schließlich aber nicht ins Ungemessene [sic!] schießen, vielmehr sich maßvoll, unbedrängt und sinnfällig darbieten“. 3 Sie sollten dem Thema angepasst sein und beim Betrachter die Freude am Gehen erwecken. 4 Es waren autonome Gebäude, die auch losgelöst von der Umgebung ihren Wert behielten und sie stellten Hüllen für die Exponate dar. Entworfen wurden sie erst, als feststand, was in ihnen gezeigt werden sollte. 5 Dadurch konnte man allerdings nicht vermeiden, dass an bestimmten Hallen nachträglich Veränderungen vorgenommen werden mussten, da z.B. einige Ausstellungsgegenstände nicht durch die Eingänge passten. 6 Besondere Wichtigkeit maß man den feuerpolizeilichen Vorsichtsmaßnahmen zu. In Berlin war es während der Funkausstellung zu einem Brand gekommen, der bewiesen hatte, dass eine brennende Halle nur in den seltensten Fällen zu retten sei. Für den Brandschutz setzte man, u.a. zur glutsicheren Ummantelung, als wichtigstes Mittel Rabbitz und Stahlgewebeputz ein. 7 Dies war vor allem wichtig bei den Holzkonstruktionshallen, die den größten Teil ausmachten.

Der äußere Anschein der „gediegenen Echtheit, der dauerhaften Würde und Standfestigkeit“ 8 trog, alle Hallen sollten nach der Ausstellung abgebrochen werden. Doch sie waren meist wiederverwertbar, teilweise sollten sie später andernorts wieder aufgebaut werden, andere wollte man ausschlachten, um das Material für neue Bauten zu verwerten. 9 Manche Hallen hatten vor ihrem Auftritt in Düsseldorf schon an anderen Orten gestanden. 10 Somit entsprachen sie den Vorgaben des Vierjahresplans: Sparsamkeit im Umgang mit dem Material und Einfachheit der Mittel resultierten nicht nur aus bewusst gewählter technischer, funktionaler und künstlerischer Form, sondern ergaben sich auch aus der wirtschaftlichen Notwendigkeit des Vierjahresplans. 11 Durch den späten Bau der Hallen – größtenteils begann man erst Anfang 1937 mit der Errichtung – wirkte sich die eingetretene Materialknappheit bei den Hallen besonders negativ aus. Holz war sehr teuer und Stahl wurde für die Rüstung dringender benötigt. Die Preissteigerungen kamen der Ausstellungsleitung sehr ungelegen. Durch die finanziellen Engpässen, die auch andere Teile der Ausstellung schmerzlich einschränkten, konnten die Hallen nicht nach den ursprünglich einheitlichen Plänen gebaut werden. 12 So entstanden Hallenbauten von teilweise sehr unterschiedlicher Architektur. Dennoch erkannte die Deutsche Bauhütte neben verschiedenfach „Unnationalem“ auch etwas „Diktatorisches“ in der Architektur, eine von ‚oben‘ befohlene, nicht den individuellen Vorlieben des jeweiligen Architekten gehorchende Formensprache. 13 Gemeint war wohl die den nationalsozialistischen Grundsätzen unterstellte künstlerische Führung durch Peter Grund, die einen einheitlichen Stil zu gewährleisten hatte. Durch die Eingriffe und Vorgaben konnten angeblich „Hartnäckigkeit und Eifersucht, Eitelkeit und Nachlässigkeit im Kreuzfeuer der Interessen verwöhnter Künstler vermieden werden. 14

A605 Der Mannesmann-Pavillon am Rheinufer Q StAD 005.163.057
A605 Der Mannesmann-Pavillon am Rheinufer Q StAD 005.163.057

Fahrenkamp rechtfertigte die stilistische Freiheit der Architekten mit dem Charakter der Hallen: Sie waren nicht als Dauerbauten errichtet worden, sondern als „Kulissen für einen Sommer“, was „zwar nicht zu willkürlichen Experimenten“ berechtigte, aber dem Architekten immerhin „gestattete(…)“, sich zu einem „architektonischen Wunschbild zu bekennen, soweit sich das mit dem Wesen und der Planung und dem Umriß des Gesamten verträgt“ 15 . Die Bauwelt dagegen wollte auch diese Einschränkung ausgeräumt sehen. Ihrer Meinung nach sollten Dauerbauten wie Provisorien „frei sein von den die Gestaltungskraft lähmenden Beschränkungen der Umgebung oder des Zwecks“ und so „die Bahn für Versuche frei (machen).“ 16 In den bezeichnenden Stilmomenten der Düsseldorfer Ausstellungsarchitektur – „Knappheit, Schlichtheit, gerade, scharfkantige Glieder, oft etwas hart und mager, eine Scheu vor Schmuck und ein sehr starkes Überwiegen der Waagerechten“ – erkannte sie „Versuche auf der Bahn zum Kommenden, zur Formensprache werdender Baukunst“ 17 .

Durch die moderne Formgebung der Architektur, die dem gängigen Bild einer ‚typisch nationalsozialistischen‘ Formensprache widersprach, wurde der autonome Wert der Bauten stark betont: Die Hallen dienten nicht nur der Aufnahme von Ausstellungsgegenständen, sondern stellten vielmehr sich selbst dar und warben somit für die architektonische Moderne. Diese Botschaft war einerseits kongruent mit der Aussage der Aussteller aus Industrie und Wirtschaft, die klar den Fortschritt propagierten. Gerade die Sonderbauten, also jene Hallen, die ausschließlich die Produkte einer einzelnen Firma zeigten – Mannesmann-Röhrenwerke, Rheinmetall-Borsig, Gerresheimer Glas, Demag oder Henkel – „bilde(te)n innen und außen eine Einheit des Stils, deren qualitative Höhe ohne Zweifel den Stil der Ausstellung bestimmt(e), kennzeichnend dafür (war) … eine äußerst scharfe, knappe Auswahl des ausgestellten Materials.“ 18

Andererseits widersprach die Hallenarchitektur den Forderungen anderer Abteilungen auf der Ausstellung, die eine Rückentwicklung, eine Kopie des mittelalterlichen Ständestaates propagierten. Ein größerer Kontrast als zwischen den idyllischen Formen der Siedlungen und den modernen Fassaden der Hallen hätte kaum erreicht werden können. Architekten wie Emil Fahrenkamp, Klaus Reese oder Hanns Hübbers schienen sich gegenseitig in der Sachlichkeit ihrer Entwürfe übertreffen zu wollen, ohne dabei futuristisch zu werden. Cremers beschrieb das Nebeneinander der verschiedenen Stile so: „Die formale, schmückende Kultur der repräsentativen Bauten wurde zusammen mit darstellenden Zweckmäßigkeitsform der Schauhallen – beides also deutsche Werkbundart in bestem Sinne – in ein liebenswertes Bündnis mit der Gartenkultur gebracht.“ 19

Insgesamt kann man sagen, dass die modernen Gebäude das Ausstellungsbild dominierten. Zwar ging man mit der Gestaltung der Ausstellungshallen keine völlig neuen Wege, was schon durch den Vergleich mit den Hallen der Gesolei ins Auge fällt, doch bewies die Sachlichkeit einiger herausragender Hallen, dass modernes Bauen auch offiziell möglich war. Dies galt ganz besonders für einige auffallend moderne Bauten: die Gebäudegruppe am Hauptfestplatz (Emil Fahrenkamp), den Henkel-Pavillon (Walter Furthmann), die Konstruktion des Hüttenzementverbandes (Fritz Faulenbach) oder den Mannesmann-Pavillon am Rhein (Emil Fahrenkamp).

Die moderne Ausdrucksweise der Ausstellungsbauten stand keineswegs im Widerspruch zu der offiziellen Architektur der Nationalsozialisten. Wenn auch im repräsentativen Bereich die staatlichen Bauten im neoklassizistischen Stil gebaut wurden – die Stilrichtung, die bis heute landläufig als die eigentlich nationalsozialistische betrachtet wird – so wurde bei Industrie- und Ingenieurbauten der moderne Stil nicht nur geduldet, sondern sogar gefördert. Betrachtet man die damaligen Veröffentlichungen zur Architektur im Dritten Reich, so zeigt sich, dass man nicht ohne Stolz auch die häufig sehr kühle Architektur modernistisch arbeitender Architekten zeigte. Die Autobahnbrücken von Paul Bonatz, das Opelwerk in Brandenburg von Heinrich Bärsch, die Luftschiffhalle von E. Möckel in Frankfurt/M., Herbert Rimpls Heinkel-Werke in Oranienburg oder die Bauten der Versuchsanstalt für Luftfahrt sind nur einige Beispiele dieser parallel zur neoklassizistischen und völkischen Architektur existierenden Stilrichtung. Damit wird deutlich, dass die Ideen des Neuen Bauens – wenn auch meist in gemäßigter Form – weiterlebten. Selbst die ‚verfemten‘ Bauhaus-Architekten konnten häufig unter der neuen politischen Macht weiterarbeiten. Manche flüchteten in Positionen, die sich der politischen Kontrolle weitestgehend entzogen und ihnen so erlaubten, weiter in Deutschland tätig zu sein. 20 Andere Architekten, die auch schon vor 1933 modern gebaut hatten, konnten sogar in staatlich bzw. kommunal geförderten Projekten mitarbeiten – wie z.B. auf der Ausstellung in Düsseldorf. Einen stilistischen Bruch gab es in der Industriearchitektur in den Dreißiger Jahren somit nicht.

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1. DLZ vom 8.5.1937
2. Statistische Übersicht in Maiwald 1939 Bd. II, o.S.
3. [Fahrenkamp?] zit. in Bücher 1937:430
4. Wischel 1937 5.5.1937 FAZ
5. StAD xviii 1707, Maiwald am 25.9.1936
6. StAD xviii 1753
7. W.S. TB 32.1937:485 1937:485
8. Cremers 1937, RWZ vom 9.5.1937
9. Beucker 1937:589f
10. Die 8.000 Personen fassende Halle ‚Oberbayern‘ hatte beispielsweise bereits auf der Brüsseler Weltausstellung gestanden. Zumindest das Tragwerk wurde auf der Düsseldorfer Ausstellung wiederverwendet, DLZ vom 8.5.1937. Die Halle 14 (Verkehr) der Fa. Siemens hatte ebenfalls auf der Brüsseler Weltausstellung gestanden, sollte zunächst auch mit dem noch in Aachen lagernden Material wiederaufgebaut werden. Da dies aber zu höheren Kosten führen sollte, entschied man sich, die Halle nach den alten Plänen, aber aus neuem Baustoff zu bauen, StAD xviii 1740
11. Bücher 1937:430
12. Beucker 1937:589
13. Bauhütte 1937:220
14. Bauhütte 1937:220
15. Bücher 1937:430
16. P. (Friedrich Paulsen) 1937 in Bauwelt 19.1937:421
17. P. (Friedrich Paulsen) 1937 in Bauwelt 19.1937:421
18. Cremers 1937, RWZ 9.5.1937
19. Cremers 1937, RWZ 9.5.1937
20. Vgl. Nerdinger 1993 (b):153ff; zur Kontinuität der Modernen Architektur s. auch Fehl 1985; Kier 1994

 

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