Einleitung

Am 8. Mai 1937 gegen 8.50 Uhr kam Hermann Göring, Beauftragter für den Vierjahresplan und preußischer Ministerpräsident,  mit einem Sonderzug aus Berlin am grüngeschmückten Bahnsteig 6 des Düsseldorfer Hauptbahnhofs an, wo er von Gauleiter Florian begrüßt wurde, stieg aus seinem angehängten Salonwagen, absolvierte einen feierlichen Auftritt vor Vertretern von Partei, Heer und Behörden, setzte sich in eine Limousine und fuhr mit den lokalen nationalsozialistischen Parteifunktionären in einer Autokolonne durch Düsseldorf. 1 Nach einem kurzen Aufenthalt in seiner Suite im Parkhotel fuhr er weiter nach Düsseldorf-Golzheim, um in seiner Eigenschaft als Schirmherr die ‚Große Reichsausstellung Schaffendes Volk – Düsseldorf 1937′ zu eröffnen. 2 Eine Ausstellung, deren Planungen drei Jahre zuvor im Kleinen begonnen hatten und im Laufe der Zeit und unter dem Eindruck der neuen Machthaber tumorartig gewachsen waren. Was eine bescheidene Werkbundausstellung hatte werden sollen, wurde durch den Einfluss der lokalen und nationalen Parteifunktionäre in eine gigantische Propagandaschau für den Vierjahresplan verwandelt. Die weitgefächerten Themengebiete der Ausstellung – Wirtschaft und Industrie, Wohnen und Siedeln, Garten und Kunst, Freizeit und Arbeit – sollten einen Querschnitt nationalsozialistischen Lebens zeigen und die nationalsozialistischen Leistungen herausstellen.

Die Ausstellung und die Geschichte ihrer Entstehung zeigt ein Bild des Nationalsozialismus in Düsseldorf, das symptomatisch ist für die ideologischen Tendenzen im NS-Staat. Denn natürlich konnte es einer Ausstellung im Jahre 1937 nicht erspart bleiben, sich der herrschenden Ideologie der Machthaber unterzuordnen. Düsseldorf war in jenen Jahren nicht nur die Stadt des Eisens und Stahls, der Kunst und Mode, der Gärten und Lebensfreude, wie der Ausstellungsprospekt versprach, sondern vor allem auch eine Großstadt im nationalsozialistischen, für den Krieg rüstenden Deutschland.

Die ‚Große Reichsausstellung Schaffendes Volk‘ war die größte bis dahin in Deutschland gezeigte Ausstellung und sicherlich die größte deutsche Ausstellung des Jahres 1937 3 , einem Jahr, welches viele Ausstellungen sah, u.a. in München die Große Deutsche Kunstausstellung‘ und die ‚Ausstellung Entartete Kunst‘, in Berlin die ‚Groß-Ausstellung des Reichsnährstandes‘ und die rein politische Vierjahresplanausstellung ‚ Gebt mir vier Jahre Zeit…‘. 4 Zudem wurde in Paris die Weltausstellung mit einer auftrumpfenden Beteiligung des Deutschen Reiches veranstaltet.

Die ‚Große Reichsausstellung Schaffendes Volk‘ gehörte zu jenem Programm des Reichspropagandaministeriums, das dem deutschen Volk die Omnipotenz und heilbringenden Kräfte der NSDAP und der nationalsozialistischen Weltanschauung näherbringen sollte. Durch die offizielle Ernennung Düsseldorfs zum ‚Reiseziel des Jahres 1937‘ versuchte man möglichst viele Menschen zum Besuch der Ausstellung zu bewegen. In diesem Sinne lockte man die Massen mit einem 163 Tage andauernden Volksfest und den unterschiedlichsten Vergnügungen um ihnen das Bild eines sorgenfreien Deutschlands vorzugaukeln. Nebenbei sollte der Besucher zur Opferbereitschaft für den Vierjahresplan aufbereitet werden, für dessen Erfüllung er seine individuellen Ansprüche zeitweise zurückzustellen hatte. Der Öffentlichkeit, vor allem auch dem Ausland, versuchte die Ausstellung mit Gleitbootrennen und Kunststoffschau, Feuerwerken und Blumenpracht, Orchestermusik und holländischen Klompe-Tänzern „das friedliche und sozial aufstrebende Deutschland“ 5 vorzustellen, um die – wie man meinte – durch „falsche Berichterstattung verhetzte Meinung des Auslandes über das neue Deutschland“ 6 zu berichtigen. Hinter dem etwas löchrigen weißen Deckmantel der Ausstellung waren allerdings deutlich die braunen Ziele zu erkennen: „Tatsächlich war diese Ausstellung eine erste Bilanz der wirtschaftlichen Wehrhaftmachung Deutschlands im Zuge von Görings Vierjahresplan zur Aufrüstung.“ 7

Auch wenn bald nach dem Ende des Krieges versucht worden war, alle Erinnerungen an eine nationalsozialistisch Vergangenheit zu verwischen, stößt man noch heute beim Besuch des Düsseldorfer Nordparks, dem ehemaligen Ausstellungsgelände, auf einige Zeugnisse der Ausstellung: Neben den Gartenanlagen ist dies vor allem die heutige Golzheimer Siedlung, die damals als Mustersiedlung „ Schlageterstadt;“ für die Ausstellung als Beispiel nationalsozialistischen Bauens und Wohnens errichtet wurde und den Grundstein eines neuen Stadtviertels bilden sollte. So wurde die Ausstellung ein Stück lebendige Stadtgeschichte, das allerdings nur von den Wenigsten bewusst wahrgenommen wird. [→ weiter]


1. DT vom 7.5.1937
2. Behnken 1980, Bd. IV:625
3. Maiwald 1939:2
4. M. (WWZ) (a) 1937:373. Die Ausstellung ‚Gebt mir vier Jahre Zeit‘ lief vom 30.4.1937 bis zum 20.6.1937, also teilweise parallel zur Ausstellung ‚Schaffendes Volk‘.
5. Baumöller 1989:115
6. Geutebrück 1939:70
7. Baumöller 1989:115

 

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