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Offensichtlich hatte man das vom Oberbürgermeister genannte Gebiet zwischen dem Stadion und Lohausen am nördlichsten Stadtrand nur sehr kurz in Erwägung gezogen, da es durch seine dezentrale Lage zu risikoreich gewesen wäre. Man wusste, dass große Ausstellungen in Düsseldorf nur nutzbringend sein konnten, wenn sie in der Nähe der Stadt lagen, wo die Besucher das Düsseldorfer Gewerbe stärken konnten. Daher richtete der Ausstellungsverein sein Auge auf ein zentraler gelegenes Gelände. Aus einem Brief von Oberbürgermeister Wagenführ geht hervor, dass man im Oktober 1934 plante, als Gelände für die Hallenschau das noch vorhandene Gesolei-Terrain zu nutzen. 1 Zunächst herrschte noch Uneinigkeit bei der Frage, ob die Hallen als Dauerbauten erstellt werden sollen. Einerseits wurde darauf hingewiesen, dass „die teuren Bauten der Münchner Ausstellung (…) ein Fehler“ waren, „der hier vermieden werden solle“ 2 . Andererseits sollten aber im Gegensatz zur Gesolei nur feste Bauten errichtet werden. 3 Für die Kosten der Hallen wurden 1.000.000 RM veranschlagt. Diese Summe wurde allerdings schon zu diesem Zeitpunkt für zu niedrig erachtet. 4
Dort standen neben einigen festen Bauten, z.B. dem Rheinterrassen-Restaurant und dem Ehrenhof, auch der Rheinpark zur Verfügung. Auf diesem Längsstreifen der Cecilienallee sollte ein Ausstellungsteil als Gelenkpunkt der Ausstellung errichtet werden, 5 der den Grundgedanken der Ausstellung zu verkörpern hatte. Peter Grund schlug vor, jugoslawische Volkskunst zu zeigen, was aber sowohl von Wendland als auch von Stadtrat Ebel mit der Begründung abgelehnt wurde, dass schon für Köln eine internationale Werkbundausstellung versprochen sei. 6 Es liegt nahe, dass insbesondere der Stadtrat einer Zurschaustellung nicht-deutschen Kulturgutes kritisch gegenüberstand.
Neben den geplanten Hallen wollte man eine Garten- und Siedlungsschau in einer Freilandausstellung zeigen. 7 Das anvisierte Ausstellungsgelände war allerdings zu begrenzt als dass es genügend Raum für die Hallen- und die Freilandschau bieten konnte. Daher bemühte man sich schon zu Beginn der Planungen um Erweiterungsmöglichkeiten, vor allem für die beiden Siedlungen. Für die Siedlerstellen war in der nicht weit entfernten Golzheimer Heide nördlich des Gesolei-Geländes genügend Raum vorhanden. Hier befand sich auch das „Nationalheiligtum der Deutschen“ 8 , die Todesstätte Leo Albert Schlageters. Für eine weitere Siedlung zog man ein städtisches Gelände nordwestlich und südöstlich der Reeserstraße in Betracht, oder, wenn irgend möglich, nur das nordöstliche unter Einbeziehung eines angegliederten privaten Geländes, des Leiffmannschen Parks; insgesamt ein Gebiet von 58.000 qm und einem Wert von 348.000 RM. 9 Der Steuerdirektor Bernhard Gerlach wurde damit beauftragt, mit den Leiffmann-Erben in Verhandlung zu treten, damit diese das angeblich „schwer verkäufliche Gelände“ zur Verfügung stellen, um es nach der Ausstellung zusammen mit den Häusern günstig zu verkaufen! 10 Für die Nutzung des Privatgeländes schien neben der guten Lage mit direkter Verbindung zum eigentlichen Ausstellungsgelände am Rheinpark und der Aussicht, eine Siedlung inmitten des reizvollen vorhandenen Baumbestand des Parks bauen zu können, auch die Abwälzung der finanziellen Risiken auf Unbeteiligte gewesen zu sein.
Somit hätte man ausreichend Raum für die Verwirklichung aller Pläne zur Verfügung gehabt. Die Einbindung der beiden Siedlungen, und vor allem des Schlageterdenkmals, sollte durch einen Grüngürtel geschehen, der vom Hofgarten über die Rheinanlagen zur Werkbundsiedlung und zum Schlageterpark reicht. 11 Allerdings hätten die einzelnen Geländeteile auch dann noch einen zu zerstückelten Charakter gehabt, als dass er dem angestrebten einheitlichen Aufbau der Ausstellung zuträglich gewesen wäre. 12 Daher gelangte man schnell zu der Einsicht, dass das bisher vorgesehene Gelände ungeeignet war. Obwohl die Geländebeschaffung für ein solch umfangreiches Vorhaben Probleme aufwerfen musste, hatte der vorbereitende Ausstellungs-Ausschuss bereits ein Gebiet von ausreichender Größe ins Auge gefasst. Es sollte mit allen Mitteln versucht werden, für die Ausstellungsbauten das Gebiet zwischen der Uerdinger Straße und dem Schlageterforum unmittelbar am Rhein zu erhalten, entweder durch Tauschverfahren oder durch Ankauf. Das weitgehend unerschlossene Gelände in der Golzheimer Heide lag nördlich des Gesolei-Geländes und war bereits in einem 1928 verfassten Bebauungsplan für Golzheim und Stockum als Ausstellungsgelände ausgelobt worden. 13 Dort bot sich genügend Raum für die Verwirklichung der immer umfangreicheren Pläne für die Ausstellung. Erste Verhandlungen über Enteignungen auf einem Gebiet nördlich der Leiffmann-Villa hatten bereits begonnen. Große Teile des Gebietes waren ohnehin schon in städtischem Besitz, seit man vor dem Ersten Weltkrieg begonnen hatte, eine zusammenhängende Fläche zu erwerben. 14
Ein weiteres wichtiges Argument, das gegen die Nutzung des Gesolei-Terrains sprach, war die Funktion des Rheinparks als „Aufmarschplatz für Kundgebungen der Bewegung, Maifeld und Oktoberfestwiese“ 15 . Der Park würde der Öffentlichkeit nicht nur während der sechsmonatigen Ausstellungszeit entzogen, wie gemahnt wurde, 16 sondern – mit Auf- und Abbauzeit – für etwa drei Jahre seiner Hauptaufgabe entzogen. Da der Rheinpark zur Erholung der Bewohner des Düsseldorfer Nordens diente, hatten die Stadtverordneten bereits 1928 entschieden, diesen als Erholungsstätte zu erhalten und ein zukünftiges Ausstellungsgelände weiter außerhalb zu nutzen. Zudem hätte die seit 1928 gediehene Bepflanzung geopfert werden müssen. Damit war die Entscheidung endgültig: Man würde das gesamte Ausstellungsgelände in den Norden legen, dort, wo ohnehin die Siedlungen gebaut werden sollten und obendrein in die Nähe des Schlageterkreuzes, womit die gesamte Ausstellung nicht nur ideologisch, sondern auch geografisch an die Todesstätte des ‚Düsseldorfer Nationalhelden‘ Schlageter angebunden wurde. Peter Grund , der ebenfalls mit den Planungen für das Schlageterforum betraut war, 17 fertigte die ersten Pläne an, die Lage und Aufteilung des Ausstellungsgeländes basierend auf dem Entwurf für das Schlageterforum beschrieben.
Die Kunst- und Gartenschau
Weitere Inhalte der Ausstellung waren mit der Gartenbauausstellung und der bildenden Kunst auch bereits formuliert. „Die Ausstellung soll alle wichtigen Gebiete schöpferischer Gestaltung umfassend zeigen …“. 18 Düsseldorf müsse als Kunststadt neue Wege für die Künstlerschaft weisen und eine künstlerische Gesamtleistung zur Schaffung eines neuen Stils bieten. 19 Somit standen die drei Abteilungen der Ausstellung fest:
1. die Probleme des Siedelns, Bauens und Wohnens,
2. die damit im weitesten Sinne verbundenen Gewerbe und Industrien,
3. Gartenkultur und Kunst.
Die Siedlungen
War das Programm hiermit auch in groben Zügen umrissen, so mussten die eigentlichen Inhalte und Ausmaße noch festgelegt werden. Besonders bei den Siedlungen schien dies ein größeres Problem gewesen zu sein. Man hatte sich im September 1935 zwar auf 150 Häuser incl. Gärten in allen Preisklassen festgelegt, die als eine Art dörfliche Gemeinschaft, der Schlageterstadt, angelegt werden sollten. In dieser Siedlung sollten alle notwendigen Organisationen vertreten sein: Ortsgruppe der NSDAP und der NS-Wohlfahrt, Rechtsschutzstellen, Braune Schwestern, Schule und auch eine Kapelle, 20 alles zusammen eine Lebensgemeinschaft der Stände und Berufe. 21
Einige der Häuser sollten mit Gebrauchsgeräten wie Möbeln, Vorhängen, Decken, Bildern und Vasen eingerichtet und teilweise für besondere Gelegenheiten des Lebens, z.B. Feste, hergerichtet werden. Insbesondere sollten besondere Haustypen, wie ein Haus für den Industriearbeiter, den Kurzarbeiter, den Angestellten, den geistigen Arbeiter und den Künstler gezeigt werden. Auch der Wohngarten und die Kunst am Haus, im Alltag und im städtebaulichen Raum sollten zur Darstellung gelangen. 22
Die Zahl der geplanten Häuser schwankte zwischen 80 und 150. 23 Lediglich die Kosten blieben stabil. Die Siedlungshäuser sollten durchschnittlich 20.000 RM kosten, was inklusive Aufschließung und Nebenkosten einen Gesamtpreis von 39.500 RM pro Haus bedeutet hätte. 24 Im Oktober 1935 begann man die Frage zu erörtern, ob „Häuser für die verhältnismäßig wenig begüterten Kreise“ gezeigt werden sollen oder ob es nicht richtiger wäre, „Häuser für den breiten Mittelstand“ 25 zu bauen. Sicherlich spielte bei diesen Überlegungen auch die Verkäuflichkeit der Häuser nach Abschluss der Ausstellung eine nicht unwesentliche Rolle. Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs würde es nicht leicht sein, kurzfristig etwa „100 Luxushäuser“ zu verkaufen oder zu vermieten. Man einigte sich schließlich darauf, dass die monatliche Belastung der Mieter 100 bis höchstens 180 RM nicht überschreiten dürfe. Dies bedeutete, dass die Kosten einschließlich Nebenkosten pro Haus nicht mehr als 20.000-32.000 RM betragen durften, was einem umbauten Raum von 500-900 cbm entsprach. 26 Es sollten Häuser für 12.000, 20.000 und 30.000 RM gebaut werden (vorher 15.000, 25.000 und 40.000 RM) 27 .
Als im Oktober die veranschlagten Gesamtkosten der Ausstellung bekannt gegeben wurden, mahnte Hattrop dringend zum Sparen. Es wurde beschlossen, auf die in Betracht gezogene Ausdehnung des Geländes über die Stockumer Kirchstraße hinweg zu verzichten. Außerdem seien für die Erstellung der Siedlungshäuser nicht mehr als 2.000.000 RM zu bewilligen.
Eine sehr wichtige Rolle hinsichtlich der weiteren Planungen für die Siedlung hatte der Regierungspräsident. Er willigte zwar in das Ausstellungskonzept ein, behielt sich jedoch vor, dem „Plan der Erschaffung von Eigenheimen und eines neuen Ausstellungsgebäudes“ erst bei Klärung der finanziellen Belastung zuzustimmen, 28 obwohl der Oberbürgermeister zuvor versichert hatte, dass die Finanzierung gesichert sei und die Stadt keine Anleihen benötige. 29 Allerdings hatte sich der Etat der Ausstellung im Vergleich zum Oktober des Vorjahres bereits auf 8 Mio. RM verdoppelt. 30 In einem weiteren Brief stellte der Regierungspräsident fest, dass es nicht seine Aufgabe sei, die Rechte der Gemeindeführung bzgl. einer Ausstellung zu beschränken. Er machte jedoch auf die große Verantwortung aufmerksam, die angesichts der ungewissen zukünftigen wirtschaftlichen Lage getragen werde. Daher empfahl er eine Kostenreduktion durch den Bau von weniger Häusern und riet ebenfalls zu Typenhäusern, die preiswerter seien als individuelle Bauten. Die Errichtung weiterer Häuser sollte den einzelnen Interessenten überlassen werden, denn es sei besser, nicht Häuser von der Stange zu verkaufen, die stadtseitig erbaut würden, sondern Häuser, die die individuellen Bedürfnisse und Geschmacksrichtungen der einzelnen Bewohner berücksichtigten. Der Bauherr solle nach Erwerb des Grund und Bodens von der Stadt sich im Rahmen eines Gesamtplanes durch seinen eigenen Vertrauensarchitekten Haus und Garten so schaffen lassen, wie es seinen Verhältnissen am besten entspräche. 31 Diese Anregungen sind von dem Ausstellungsverein zwar nicht begeistert aufgenommen worden, dennoch empfahl Wagenführ, dass nach Möglichkeit so verfahren werden solle. 32
Vielleicht wollte man dem Regierungspräsidenten entgegenkommen, da er mit den zuständigen Ministern in Berlin über die Unterstützung der Ausstellung verhandeln wollte. Andererseits blieb ob der finanziellen Schranken auch kaum eine andere Möglichkeit, als auf die Vorschläge des Regierungspräsidenten einzugehen. Und welche Gründe sprachen überhaupt gegen dessen Idee? Die finanzielle Belastung würde auf Dritte übertragen und die Einheitlichkeit der Ausführung durch die Regeln des Gesamtplanes trotzdem bei der Ausstellungsleitung (AL) belassen. Was auch immer der Grund für die Entsprechung der Wünsche des Regierungspräsidenten waren, so bedeuteten die Forderungen doch einen richtungsweisenden Schub. Die Schlagetersiedlung wurde – bis auf einige wenige Musterhäuser – nicht von städtischer, sondern von privater Hand finanziert. Damit einher ging der Entschluss, auch die Planung der Häuser der privaten Initiative zu überlassen. Somit konnte Grund die Entwurfstätigkeit für die Haustypen einstellen. Statt dessen hatte er bis zum 2. Dezember 1935 eine Liste mit politisch ’sauberen‘ Architekten zu erstellen, die die einzelnen Häuser planen sollten. 33
Eine weitere, lange Zeit ungeklärte Frage war, welche Form die Häuser haben sollten. So sprach der Oberbürgermeister im November noch von Ein- und Mehrfamilienhäusern, 34 auch Reihenhäuser wurden in Erwägung gezogen. Noch bis kurz vor der Vergabe der Grundstücke ab Mai ’36 galten die mit ‚e‘ bezeichneten Grundstücke am Rhein (vgl. Plan) als zweistöckig bebaubar. Schließlich einigte man sich aber doch auf den Bau von freistehenden, eineinhalbstöckigen Einfamilienhäusern.
Der endgültige Plan für die Schlageterstadt, wie sie zur Abgrenzung gegenüber der Reichsheimstättensiedlung genannt wurde, 35 sah den Bau von 84 Einfamilienhäusern vor, davon 8 Musterhäuser und 10 Künstlerhäuser, 36 weiterhin ein Künstlergemeinschaftshaus mit insgesamt 12 Ateliers und einem Ausstellungsraum und zur Grundversorgung der Bewohner einen Komplex mit drei Geschäften und einer Gastwirtschaft. 37
Aus dem großen Projekt, das die ‚aktuellen‘ Probleme des Bauens und Wohnens jener Zeit behandeln sollte, waren bei den endgültigen Planungen noch 84 Wohnhäuser übriggeblieben, davon wurden von der Stadt selber lediglich 18 errichtet. Alle anderen Einrichtungen wie eine Schule 38 und die diversen NS-Einrichtungen waren entfallen oder sollten erst nach Abschluss der Ausstellung gebaut werden. Die in der Nähe der Reeserstraße geplante Siedlung sollte den Grundstein bilden für den neuen Stadtteil Schlageterstadt.
Die Reichsheimstättensiedlung
Ergänzt wurde die Schlagetersiedlung durch eine Reichsheimstättensiedlung. Diese hatte allerdings nichts mit den 300 Siedlerstellen zu tun, von denen der Oberbürgermeister in seinem ‚Überzeugungsbrief‘ an den Werberat gesprochen hatte. Die gemeinte Siedlung war bereits seit 1932 als Erwerbslosensiedlung für die Unterbringung der Bewohner der ‚Wilden Siedlungen‘ geplant worden und 1934 teilweise fertiggestellt. Man hatte wohl niemals vorgehabt, diese in die Ausstellung zu integrieren, denn das Einzige, was sie mit der Schau verband, war die Nähe zum Schlageterkreuz.
Die Errichtung der Reichsheimstättensiedlung, deren Planung der Architekt und Reichsheimstättenleiter Leopold Schmalhorst übernommen hatte, 39 war lange Zeit ungewiss. Wagenführ hatte Bedenken wegen der Kosten dieser zweiten Siedlung und stellte fest, dass „eine finanzielle Belastung durch die Siedlung nicht in Frage“ komme. 40 Doch der NSDAP lag viel daran, diese Siedlung zu verwirklichen und Kreisleiter Walter forderte, dass nach Möglichkeit auch diese Häuser errichtet werden. 41 Da Schmalhorst im Oktober 1935 erklärt hatte, dass das Reichsheimstättenamt keinen totalitären Anspruch habe und sich mit Siedlerstellen zufrieden gebe 42 , wurde auch dieses Vorhaben bewilligt. Tatsächlich errichtete die Stadt sogar 14 Heimstättenhäuser, die sämtlich an die Bewohner verkauft wurden. Der Stadt war durch diese Planung also kaum finanzieller Verlust entstanden. 43
Im September 1936 war noch von 12 Siedlerstellen und einem Geschäftshaus und einem Haus der Rheinischen Kraftfutterwerke die Rede. 44 Die beiden letzteren Bauten sollten „gesondert“ finanziert werden, wahrscheinlich durch die Bauherren, während für die Siedlerhäuser ein Eigenkapital der zukünftigen Bewohner von 23.900 RM zur Verfügung stand. 45
Die Industrie
Auch wenn in § 2 der Vereinssatzung von einer „gemeinnützigen Ausstellung“ die Rede war – in einem früheren Entwurf wurde sogar von einer „belehrenden Ausstellung“ 46 gesprochen – machte der Name des Vereins deutlich, dass durch die Hinzunahme der kunsthandwerklichen und vor allem gewerblichen Komponente der erste Schritt gemacht war zu einer wirtschaftlich orientierten Ausstellung. Ein Ausstellungsprogramm vom September 1935 stellte den Grundgedanken der Ausstellung folgendermaßen dar: „Der deutsche Mensch und das Werk der Maschine“ stehen im Mittelpunkt, wobei unter einheitlicher künstlerischer Führung „die Leistung der Industrieerzeugnisse, die mit schöpferischer Arbeit zu tun haben, ihr dienen oder sie wiedergeben“, gezeigt werden. 47 Die anfänglich intendierte Ausstellung des bildnerischen und gestaltenden deutschen Kulturschaffens verlor immer mehr an Bedeutung, während die wirtschaftliche Seite eindeutig in den Vordergrund drängte. Noch deutlicher wurde dies nach der Namensänderung Ende 1935, wo von „Industrie und Handwerk“ gesprochen wurde. Erst an zweiter Stelle erschienen die geplanten Siedlungshäuser im Statut.
Eine Siedlungsausstellung allein hatte Düsseldorf aus naheliegenden Gründen ohnehin nicht haben wollen. Erst die Industrie konnte der Garant für einen positiven Abschluss der Finanzen sein. Die Eigendynamik, die der wirtschaftliche Ausstellungsteil allerdings zeigte, stellte den ursprünglichen Plan fast gänzlich in den Schatten. Immerhin sperrte der Werberat für die Zeit zwischen 1935 und 1939 alle Industrieausstellungen, 48 um konkurrierende Unternehmungen zu verhindern, unter anderem auch die für 1937 in Dortmund geplante Industrieschau. 49 Um die Position der Ausstellung im Kampf um die Besucherzahlen zu stärken, stellte die AL im März 1936 zudem den Antrag, diese als ‚reichswichtig‘ zu erklären, 50 was im Herbst desselben Jahres zugestanden wurde. 51
Der eher bescheidene Gedanke einer Siedlungsausstellung wurde binnen weniger Monate gemäß dem „Totalitätsprinzip“ 52 erweitert: Man hatte „den Mut, sich das Leben in allen seinen Erscheinungsformen selbst zum Thema zu wählen“. 53 Eine Ausstellungsform, die alle Grenzen sprengte und kein Thema ausschloss, gehörte wegen der schnellen Entwicklung auf allen industriellen und wissenschaftlichen Gebieten aber weitestgehend der Vergangenheit an. In Düsseldorf war bereits 1930 die Auffassung vertreten worden, dass die Zeit der großen Ausstellungen vorbei sei und an deren Stelle die Zeit der Fachausstellungen getreten war. 54 Dessen ungeachtet dehnte man die Konzeption der ‚Schaffendes Volk‘ vor allem auf industriellem Gebiet aus. Die Ausstellung sollte ein „Schaufenster für die Welt“ sein, „hinter der die Werkstatt einer völkischen Schaffensepoche sichtbar war“. 55 Aber nicht nur konzeptionell stellte die Wirtschaft einen immer größer werdenden Faktor des gesamten Vorhabens dar; auch räumlich bestand Bedarf an Ausweitung: Die Ausstellungsfläche der Hallen wurde im Oktober 1935 auf 60.000 qm vergrößert. 56
Der Vierjahresplan
Auch wenn Stadtrat Meyer im Januar 1936 noch glaubte, der Siedlungsbau sei die Hauptabteilung der Ausstellung, 57 so wurde er spätestens mit Hitlers Verkündung des Vierjahresplans am 18.10.1936 eines Besseren belehrt. Schon vor diesem Zeitpunkt, im November 1935, war Hermann Göring, preußischer Reichsinnenminister und seit dem 4. April 1933 ebenfalls Ehrenbürger der Stadt Düsseldorf, 58 für die Ausstellung als Schirmherr gewonnen worden. 59 So lag es nahe, den Gedanken des von Göring geleiteten Plans mit in die Ausstellung aufzunehmen, zumal die Autarkiebestrebungen ohnehin in aller Munde waren. Da die Beschaffung der Bau- und Rohstoffe natürlicherweise ein unabdingbarer Teil des Bauens und Siedelns ist, bot sich die Einbeziehung einer Vierjahresplan-Wertstoffschau nicht nur an, sondern wurde durch die Rolle, die der Vierjahresplan in der deutschen Politik erhielt, fast zwingend. Die neue Bedeutung der Ausstellung musste sich auch in deren Namen widerspiegeln, daher kam es am 15.12.1936 erneut zu einer Satzungsänderung: 60 die Ausstellung wurde in „Schaffendes Volk, Große Reichsausstellung Düsseldorf-Schlageterstadt 1937“ umbenannt und inhaltlich den Zielen des nationalen Vierjahresplans angepasst. Allerdings wäre die Ausrichtung auf den Vierjahresplan nicht in so kurzer Zeit realisierbar gewesen – es standen bis Mai 1937 nur noch sieben Monate zur Verfügung – wenn nicht schon vorher eine Darstellung der nationalsozialistischen Ideale, Leistungen und Zukunftspläne in der Ausstellung geplant gewesen wäre, insbesondere in Verbindung mit der Problematik des deutschen Lebensraumes. 61 Durch die Verquickung der geplanten Ausstellung mit dem Vierjahresplan, oder besser durch die Vereinnahmung der Ausstellung durch den Vierjahresplan, wurde sie „ein politisch-propagandistisches Machtinstrument“ 62 in der Hand Hitlers, ein Werkzeug im Sinne der Volkserziehung: Politik ist nichts anderes als Völkerformung. 63
Durch den Vierjahresplan sollte Deutschland in vier Jahren „von allen jenen Stoffen vom Ausland gänzlich unabhängig sein, die irgendwie durch die deutsche Fähigkeit, durch unsere Chemie und Maschinenindustrie sowie durch unseren Bergbau selbst beschafft werden können“ 64 . Dieser Anspruch konnte keinesfalls im Interesse des westdeutschen Wirtschaftsraumes liegen, denn die Konzentration auf Hitlers angestrebte Selbstversorgung und damit die Produktion von Waren für den innerdeutschen Markt, stand im Widerspruch zu der exportorientierten Struktur der rheinischwestfälischen Wirtschaft, die sich durch die Anbiederung an Hitlers Autarkie-Vorstellungen ihrer wichtigsten Absatzmärkte beraubt hätte. 65 Offiziell war das Ziel des Vierjahresplans die wirtschaftliche Unabhängigkeit Deutschlands, tatsächlich aber diente er in erster linie Kriegsvorbereitungen und Wehrhaftmachung, denn schon seit 1936 wurde die Verlagerung der Friedens- in die Kriegswirtschaft immer mehr forciert. Es ging bei den Autarkieplänen im wesentlichen um die Einsparung von Devisen, die für den Import kriegswichtiger Materialien benötigt wurden. Um dies zu erreichen, sollten vor allem Kunst- und Kraftstoffe sowie andere Industrieprodukte, die bisher eingeführt werden mussten, durch einheimische Erzeugnisse ersetzt werden. Dazu dienten die in Deutschland vorhandene Rohstoffe Kohle, Erze, Wasser und Holz, aus welchen u.a. synthetische Treibstoffe, synthetischer Kautschuk (BUNA), Nichteisenmetalle, synthetische Textilien hergestellt werden sollten. Der Zusammenhang mit der Ausstellung wurde dadurch hergestellt, dass man darauf hinwies, dass gerade die Bauindustrie als Verbraucherin der meisten Werkstoffe als Vorbild für die Nutzung der „Ersatzstoffe“, die eigentlich keine seien, dienen müsse. 66
Zur Devisenbeschaffung wurden ebenfalls Lebensmittel exportiert, so dass in Deutschland selbst Grundnahrungsmittel knapp wurden, obwohl die Wirtschaft sich seit der Wirtschaftskrise sichtlich erholt hatte. Die neuen Machthaber waren sich bewusst, dass die Ziele des Vierjahresplans nicht erreicht werden konnten, ohne „der deutschen Bevölkerung Opfer [abzuverlangen]“ 67 . Eines der sichersten Instrumente des Naziregimes zur Steigerung der Opferbereitschaft war die propagandistische Selbstdarstellung. Und welche Schau konnte dazu besser dienen als die in ihrer Planung bereits weit gediehene Ausstellung ‚ Schaffendes Volk‘, die durch ihre Inhalte genug Möglichkeiten für eine Vierjahresplanschau bot und durch die günstige Lage inmitten eines Kranzes großer Städte viele Menschen erreichen konnte. 68
Das Konzept der Ausstellung wurde daraufhin ein letztes Mal geändert und den aktuellen politischen Strömungen angepasst. „Die klare Linie des Vierjahresplans wurde maßgeblich für die Gesamtthemastellung der Ausstellung“ 69 und so wurde aus der einst als Werkbundausstellung geplanten Siedlungsschau ein Propagandainstrument für den Vierjahresplan. [→ weiter]
1. StAD xviii 1703, Brief von OB an den Werberat vom 20.10.1934
2. StAD iv 565, Protokoll vom 15.11.1934, Entwurf eines Briefes des Oberbürgermeisters an den Präsidenten des Werberates der Deutschen Wirtschaft. Gemeint ist hier die Ausstellung ‚Garten und Heim‘ in München, die die Mustersiedlung ‚Ramersdorf‘ hervorbrachte.
3. StAD xviii 1705, Protokoll vom 8.11.1934
4. StAD iv 565, Protokoll vom 15.11.1934; tatsächlich machte der Posten für die Ausstellungsbauten in der Endsumme mit 6.568.421,92 RM immerhin den 6,5fachen Betrag aus; Hattrop 1939:95
5. StAD iv 565, Protokoll vom 15.11.1934
6. StAD iv 565, Protokoll vom 15.11.1934
7. StAD iv 565, Protokoll vom 15.11.1934
8. StAD iv 565, Protokoll vom 15.11.1934
9. StAD iv 565, Protokoll vom 4.10.1934
10. StAD iv 565, Protokoll vom 4.10.1934
11. StAD iv 565, Entwurf eines Briefes vom Oberbürgermeister an den Präsidenten des Werberates der Deutschen Wirtschaft vom 20.10.1934
12. StAD iv 565, Protokoll vom 4.10.1934
13. Siehe Bebauungsplan Stockum-Golzheim vom 15.7.1928, StAD III 22863. Vgl. auch 4.2.
14. Hüttenberger 1989:131
15. Bücher 1937:428
16. Bücher 1937:428
17. Vgl. Wendland 1936:817-820
18. StAD vii 1978, Protokoll vom 18.5.1935
19. StAD viiI 1978, Protokoll vom 18.5.1935
20. StAD iv 565, Protokoll o.D.
21. StAD iv 565, Protokoll vom September 1935
22. StAD iv 565, Protokoll vom September 1935
23. StAD xviii 1978, Programm vom 3.9.1935
24. StAD iv 565, Kostenvoranschlag vom 3.10.1935 richtig
25. StAD iv 565, Protokoll vom 3.10.1935
26. StAD iv 565, Protokoll vom 3.10.1935
27. StAD vii 1978, Protokoll vom 22.7.1935
28. StAD iv 565, Brief des Regierungspräsidenten vom 30.7.1935
29. StAD iv 566, Protokoll vom 11.12.1935
30. StAD iv 565, o.D.
31. StAD iv 565, Brief des Regierungspräsidenten vom 11.12.1935
32. StAD iv 565, Protokoll vom 23.12.1935
33. StAD vii 1705, Protokoll vom 27.11.1935. Grund stellte daraufhin eine Liste auf, die 21 Häuser in vier Preisgruppen zwischen 5.000 und 21.000 RM folgenden Architekten zuteilte: Beucker, Brünting, Gring & Hoppe, Haake, Hentrich & Heuser, Herbeck, Hitzbleck, Horstmann, Hübbers, Köngeter & Petersen, Leykauf, Nestler, Reese, Schröder, Schubert, Schütz, Stahl, Staukies & Engstfeld und Thoma; StAD xviii 1785, Protokoll vom 10.12.1935
34. StAD iv 566, Brief von OB Wagenführ an den Regierungspräsidenten vom 23.11.1935
35. Kreisleiter Walter hatte auf die Gefahr der Verwechslung der beiden Siedlungen hingewiesen und vorgeschlagen, die Schlagetersiedlung ‚Ausstellungsstadt‘ zu nennen; StAD xviii 1704 vom 18.2.1936
36. StAD vii 1978, Pressebesprechung vom 12.5.1936
37. Grund hatte im Juli 1935 mit der Aufgabe, die Haustypen für die Schlageterstadt zu entwerfen, auch den Auftrag erhalten, eine 3-4klassige Schule vorzusehen; StAD iv 565, Protokoll vom 22.7.1935
38. StAD xviii 1705, Protokoll vom 8.10.1935
39. StAD xviii 1705, Protokoll vom 28.3.1936
40. StAD xviii 1704, Protokoll vom 28.3.1936
41. StAD NL Ebel 123, Brief von Stadtrat Meyer vom 22.8.1935
42. StAD iv 565, Protokoll vom 20.10.1935
43. Da die Planung und Ausführung der Reichsheimstättensiedlung Sache des Reichsheimstättenamtes war, sind in dem Archivmaterial zur Ausstellung ´Schaffendes Volk‘ nur wenige Hinweise auf die Entstehung und den Verkauf der Siedlung zu finden. richtig
44. StAD vii 1978, Protokoll vom 15.9.1936 richtig
45. StAD vii 1978, Protokoll vom 15.9.1936 richtig
46. StAD xviii 1703, Satzungsentwurf vom 8.11.1935
47. StAD iv 565, o.D.
48. StAD xviii 1705, Protokoll vom 15.10.1935
49. StAD xviii 1705, Protokoll vom 15.10.1935
50. StAD xviii 1704, Protokoll vom 7.3.1936
51. Weingarten (h) 14.1937:189
52. Maiwald in RLZ (c) vom 15.1.1936
53. Maiwald in RLZ (c) vom 15.1.1936
54. Stenographische Verhandlungsberichte vom 28.4.1930:97
55. Cremers 1937
56. StAD iv 565, Protokoll vom 15.10.1935
57. StAD iv 565, Protokoll vom 15.10.1935
58. Alberg 1987:11
59. StAD xviii 1705
60. StAD iv 1897, Protokoll vom 15.12.1936
61. Stadtrat Meyer hatte schon Anfang 1936 davon gesprochen, dass eine Werkstoffschau ebenfalls wichtig sei, um „all die neuen deutschen Erzeugnisse zu zeigen“; StAD xviii 1704
62. Bücher 1937:428
63. Adolf Hitler zit. in Hager 1937:6
64. Adolf Hitler, zit. in Engst 1949:101
65. Klecker 1937, o.S.
66. HuG-29:1
67. Zit. in Bushart 1984:159
68. Düsseldorf selber hatte 1937 bereits 515.000 Einwohner; in einem Umkreis von 50 Kilometern lebten weitere 6,1 Mio. Menschen; Riemann 1937:74
69. Maiwald 1939:37