Die Gestaltung der Häuser (a)

Die Musterhäuser

Auf den Grundstücken 20, 45, 52, 74, 81 und 86 ließ die Stadt durch die von Peter Grund vorgeschlagenen Architekten Musterhäuser errichten, 1 die unbewohnt waren, aber mit vollständiger Einrichtung (außer Haus 45 auf Grundstück (GS) 86) während der Ausstellung als begehbare Beispiele nationalsozialistischen Wohnens dienten.

Man hatte geplant, dass je ein Haus zu 10.000, 15.000, 20.000, 25.000 und 30.000 RM 2 und 35.000 RM 3 errichtet werden sollte, was aber durch falsche Planungen nicht aufging. Die meisten der Häuser wurden wesentlich teurer. Dies lag nicht nur an der „Befangenheit der Architekten“, die „im Wohnhaus mehr die repräsentative Äußerung sahen, als die zweckgeborene Erscheinung der Gemeinschaft“ 4 , sondern auch an den schon erwähnten schwierigen Beschaffungsbedingungen für die Baumaterialien und Mehrkosten für die daraus resultierende übereilte Bautätigkeit. 5 Diese führten zu reinen Baukosten von RM 14.263,24 für das kleinste Haus (GS 45) und RM 38.147,52 für das teuerste (GS 81) bei einem Fassungsvermögen von 584-1.100 cbm. Damit lagen die Baukosten für den umbauten Kubikmeter Wohnraum bei RM 24-37. Dazu kamen Kosten für die Inneneinrichtung der Häuser, so dass die Gesamtkosten zwischen RM 19.850,84 und RM 53.334,04 lagen. Durch diese hohen Preise, die nach Ansicht Liederleys um 20-25% über der Norm lagen, erwartete die Ausstellungsleitung nach der Ausstellung Schwierigkeiten beim Verkauf. Verluste waren vorherzusehen, zumal nach der Ausstellung die Notwendigkeit einer Renovierung wahrscheinlich war.

Inneneinrichtung

Neben den Plänen für die Häuser hatten die Architekten ebenfalls einen Möblierungsplan zu erstellen, mit deren Ausführung eine Firma für Innengestaltung beauftragt wurde. Ausnahmen stellten die Musterhäuser dar, welche von der NS-Kulturgemeinde 6 (GS 45) den Deutschen Werkstätten 7 (GS 81), der Firma Raumkunst GmbH Eick-Söhne Essen (GS 52), Firma Panhorst, Hemelingen bei Bremen (GS 74) und dem Verband für Möbel deutscher Wertarbeit, Hamburg (GS 20) eingerichtet wurden. 8 Die Leitung der Innenausstattung lag in den Händen des Architekten Ernst Walther aus Berlin.

A720 Im Musterhaus GS 74, Architekt H. Hübbers Q ID 1937.356
A720 Im Musterhaus GS 74, Architekt H. Hübbers Q ID 1937.356

Die Musterhäuser dienten vor allem als Werbeplattformen für Einrichtungsfirmen und Handwerksbetriebe. Die Ausstellungsleitung suchte Firmen, die zur Demonstration ihrer Waren die Zimmer tapezierten oder strichen und Haushaltsgeräte oder Möbel ausstellen wollten. Diese Firmen hatten nicht nur die Ausstellungsartikel kostenlos zur Verfügung zu stellen, sie mussten auch eine hohe Miete bezahlen und für Aufsichtspersonal sorgen. Einige der interessierten Firmen sahen sich aufgrund dieser Bedingungen nicht in der Lage, an der Ausstellung teilzunehmen. Dies war auch der Fall bei den Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk, Bremen, die 1.500 RM zahlen, sämtliche beweglichen und eingebauten Einrichtungsgegenstände – mit Ausnahme des Geschirrs – und die Aufsicht während der gesamten Ausstellungszeit selber finanzieren sollten 9 und zunächst absagten, letztendlich aber doch teilnahmen. Zwei weitere Möbelfirmen hatten sich unter der Bedingung, dass außer den Transportkosten keine weiteren Kosten anfallen, dazu bereit erklärt, die Möbel für drei Zimmer im Musterhaus 81 zur Verfügung zu stellen. Die Antwort der Ausstellungsleitung: „Jeder muß für seine Werbung selber bezahlen.“ 10 Unter diesen Bedingungen war es für die Ausstellungsleitung schwierig, willige Aussteller zu finden. Nur große Firmen wie Siemens-Schuckert oder Henkel konnten sich Eigenwerbung zu diesen Bedingungen leisten. Für regionale Firmen, die auch nach der Ausstellung kaum auf einen reichsweiten Verkauf hoffen durften, lohnte sich eine Teilnahme an der Schau kaum. So kam es, dass einige der Firmen, die letztendlich doch ausstellten, sowohl im Niveau ihrer Verkaufsmethoden als auch in der Qualität ihrer Ware sehr zu wünschen übrig ließen.

Auch während der Ausstellung kam es für die Aussteller zu herben Enttäuschungen. Angebrachte Firmenschilder mussten auf Anweisung der Ausstellungsleitung wieder entfernt werden, was die Werbewirkung so stark beeinträchtigte, dass sie in manchen Fällen völlig nichtig war. Statt dieser Schilder sollten die Firmen durch einen Eintrag in einen Katalog um die Gunst der Besucher werben. Lediglich ein von der Ausstellungsleitung angebrachtes Schild vor jedem Musterhaus zeigte in kleinen Lettern die Namen der ausstellenden Firmen, wodurch nur die wesentlich größer geschriebenen Namen des Architekten und die Nummer des Hauses Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Mit dieser Lösung waren die Aussteller so unzufrieden, dass sie teilweise während der Ausstellung von ihrem Vertrag zurücktraten, wie die Fa. Eick-Söhne aus Essen, die wegen der unhaltbaren Ausstellungssituation noch im September die ausgestellten Möbel wieder abholen ließ. 11

A732 Treppenaufgang in einem weiteren Eigenheim Q Der Weg zum Eigenheim 3.1937.7
A732 Treppenaufgang in einem weiteren Eigenheim Q Der Weg zum Eigenheim 3.1937.7

Ähnliche Schwierigkeiten hatte auch der Architekt und Lehrer der Düsseldorfer Handwerksschule am Fürstenwall, Burkhardt, der darum gebeten hatte, mit seiner Schule die gesamte Wilhelm-Gustloff-Siedlung einrichten und farbig ausgestalten zu dürfen und außerdem die Einrichtung eines der Musterhäuser in der Schlagetersiedlung übernehmen zu können. Peter Grund hat diesen Plänen teilweise zugestimmt, und Burkhardt bekam den Auftrag, eines der Musterhäuser auszustatten. Aus verschiedenen Gründen kam es zu Verzögerungen, die unberechtigterweise Burkhardt angelastet wurden. Diesem gelang es nicht, in der verbleibenden Zeit Möbelfirmen zu finden, die unter den gegebenen Bedingungen bereit gewesen wären auszustellen.

Die Ausstellungsleitung war sichtlich verstimmt, obwohl der Fehler bei ihr lag. Burkhardt war daraufhin nicht länger gewillt, unter ständigen Vorwürfen über den „unerträglichen Zustand“ und das Fehlen der „Angaben zu dem Musterhaus“ weiter an der Einrichtung mitzuwirken und teilte daher im Februar 1937 dem Oberbürgermeister mit, dass sowohl seine Schule als auch er sich entschlossen hätten, sich nicht weiter an der Ausstellung zu beteiligen, zumal Burkhardt nicht nur ehrenamtlich arbeitete, sondern auch benötigtes Material wie Lichtpausen u.ä. selber finanzieren sollte. Wagenführ nahm den Entschluss des Architekten mit der Bemerkung an, dass „damit dieser unerträgliche Zustand beendet“ sei. Entgegen den offensichtlichen Tatsachen, dass eine Reihe von Akademieprofessoren und städtische Angestellte künstlerische Aufgaben übernommen hatten, wurde Burkhardt erklärt, dass „ohnehin … Aufträge nur an Privatarchitekten vergeben (würden).“ 12

Neben den offiziellen Musterhäusern wurden auch andere Häuser für Werbezwecke genutzt, wie das Henkelhaus auf Grundstück 50, welches „zur wirksamen Vorführung der Henkelschen Erzeugnisse“ während der Ausstellung zu besichtigen war. Dieses Haus war das einzige, das nicht geschlämmt, sondern mit Trax-Putz behandelt wurde, woraufhin andere Bauherren ebenfalls versuchten, von der Ausstellungsleitung eine Genehmigung zum Verputzen ihres Hauses zu bekommen, was ihnen aber verweigert wurde. 13

Der Architekt Hans Kreitlow, der sich bei der Grundstücksvergabe gleich zehnmal beworben hatte und letztendlich immer noch für vier Häuser verantwortlich zeichnete, benutzte sein eigenes Wohnhaus (GS 64) während der Ausstellungszeit als Musterbeispiel seiner Baukunst, was zu diversen Problemen mit der Ausstellungsleitung führte, da er sich weigerte, Gartentor und -türchen anzubringen. Er wollte damit vermeiden, potentielle Kunden von seinem Grundstück fernzuhalten. Wie werbewirksam ein Musterhaus sein konnte, bewies der Fall Arnold Emundts, der nach der Ausstellung zahlreiche Kaufgesuche für sein Musterhaus auf GS 46 erhielt. Zu diesen Kaufwilligen gehörten neben einer Wuppertaler Chemiefabrik und einem Kölner Privatmann auch ein Italiener. Ein amerikanischer Professor namens Robert Abbett wollte sogar in den Vereinigten Staaten einen Artikel über das Haus veröffentlichen. 14

Kreitlow hatte mit seinem ‚privaten Musterhaus‘ allerdings mehr Probleme als Vorteile. Noch im April ’37 war er mit den Arbeiten an seinem Haus so weit im Rückstand, dass nicht damit gerechnet werden konnte, dass es vor der Ausstellungseröffnung fertiggestellt werden könne. Da überall auf dem Grundstück Baumaterial herumlag, und auch die unfertige und mit Gerüstbrettern zugestellte Garage ständig offenstand, drohte man Kreitlow damit, das Haus auf dessen Kosten zu säubern und für die Zeit der Ausstellung zu schließen, falls es nicht bis zum 30. Juni 1937 „fertig aussehen“ sollte. Da die Baustelle nicht geschlossen wurde, kann man davon ausgehen, dass Kreitlow die Forderungen der Ausstellungsleitung erfüllt hat. Wegen der Weigerung Kreitlows, ein Gartentor einzubauen, wurde allerdings seine zweite Hypothek nur teilweise ausbezahlt. Erst im Oktober ’37 erhielt er die restlichen 1.000 RM der zweiten Hypothek. 15

Die Gestaltung der Innenräume war in allen Häusern der Siedlung schon maßgeblich durch die Architektur mitbestimmt. Viele Architekten hatten sich an die Anweisungen der Ausstellungsleitung gehalten, neben äußerlich sichtbaren Bauteilen wie Fenstern, Balkonen u. ä. auch innen durch „die freimütige Aufzeigung des tragenden Balkens“ 16 und anderem naturbelassenen Holz, sich an „alten Vorbildern“ zu orientieren und einen rustikalen Charakter zu erzeugen. Offene Kamine, die in vielen Häusern vorhanden waren und meist aus rheinischem Backstein errichtet in der Achse zweier Zimmer lagen, 17 verstärkten diesen Eindruck genauso wie die zahlreichen und großen Fenster und Türen, die den Wohnbereich mit dem Garten verbanden. Auch wenn die Ausstellungsleitung den Besuchern und Medien suggerieren wollte, dass das Ideal der „alten, überlieferten Bauweise des Niederrheins“ sich auch im Einrichtungsstil der Musterhäuser niedergeschlagen habe – es wurde sogar vom Bauernhausstil gesprochen 18 – so handelte es sich dabei eher um einen Wunsch als um die Wahrheit. Die Realität in den Häusern sah anders aus. Sowohl die Raumaufteilung als auch die Möblierung der Zimmer unterschieden sich deutlich voneinander, sowohl formal als auch qualitativ. Die Ungleichwertigkeit der verschiedenen Einrichtungen wurde von der Fachpresse dadurch erklärt, dass neben verantwortungsbewusster Arbeit führender Stellen auch der freie geschäftliche Wettbewerb in Erscheinung trat. 19 Ein einheitlicher, zumal ein ’nationalsozialistischer‘ Stil war nicht zu entdecken. Fotografisch – zumal in Farbe – ist die Inneneinrichtung der Musterhäuser nur partiell und unübersichtlich dokumentiert und daher heute kaum noch objektiv zu beurteilen. Daher ist man in dieser Beziehung auf die wenigen Beschreibungen angewiesen, die einen Eindruck der farblichen und stilistischen Gestaltung der Häuser geben: Positiv wurde ein Schlafzimmer aus Vogelaugenahorn mit hellen Nussbaum-Schmuckleisten und mattgrünen, gesteppten Stuhlbezügen von Prof. Breuhaus de Groot beschrieben. Weiterhin gab es ein Jungmädchenzimmer aus mattem Kirschholz mit Klappbett von Satini, ein großes Wohn- und Musikzimmer von Hartl mit hellbraunen handgewebten Bezügen und dunklem Makassar, das sich durch lebhafte und doch weiche Farbgebung auszeichnete: Das tiefbraune Holz wurde mit hellen, naturbraunen Bezügen kontrastiert und durch viertonig gewebte Vorhänge in hellen Sandfarben, Reseda, Blau und Zinnober ergänzt, deren Rotton von den Aussenrändern des großen Fußbodenteppichs aufgenommen wurde. Weniger wohlwollend befand Gerda Behme die Wirkung von resedafarbenen Bezügen, die in der Lichtflut des fensterreichen Hauses zu grell wirkten, sowie eine rote Tapete, die das zarte Kirschbaumholz zugrunde richtete. 20 Kritisch betrachtete man ebenfalls Schränke mit dunkel und glänzend polierten, auf ‚antik‘ abgeriebenen Füllungen oder mit Füßen in schief gequetschter Form, „die eher aus Zement als aus Holz gemacht sein könnten und Betten mit so niedrigen Füßen, dass der Fußboden darunter nicht gereinigt werden konnte. Als unfreiwilliges Paradebeispiel ignoranter geschmacklicher Gleichgültigkeit kann wohl ein Topf mit künstlichen Blumen in einem Kinderzimmer gelten. 21

A726 Eschenholz-Schlafzimmer der Deutschen Werkstätten nach einem Entwurf von Bruno Paul in dem Musterhaus für einen Prokuristen (GS 81, Architekt Ingo Beucker) Q ID 1937.358
A726 Eschenholz-Schlafzimmer der Deutschen Werkstätten nach einem Entwurf von Bruno Paul in dem Musterhaus für einen Prokuristen (GS 81, Architekt Ingo Beucker) Q ID 1937.358

Auch der Düsseldorfer Politprominenz blieb die qualitative Heterogenität der Inneneinrichtung nicht verborgen. In einem Brief vom 28. Juni 1937, also fast acht Wochen nach der Ausstellungseröffnung, machte Stadtrat Meyer die Ausstellungsleitung auf einige eklatante Mängel, „insbesondere (den) uneinheitlichen Stil“, aufmerksam, die auf eine „zu freie Hand“ gegenüber den Handwerkern und Möbelfirmen zurückzuführen seien. In manchen Räumen sei eine regelrecht undeutsche Möblierung vorzufinden, teilweise erinnerten Möbel an „Erzeugnisse der Talmikultur“. Ein ausgestelltes Möbelstück sehe jenem Negativbeispiel zum Verwechseln ähnlich, welches am Stand des Tischlerhandwerkes in den Hallen ausgestellt sei. Nicht nur das Material sei „minderwertig“, sondern auch die Arbeit „miserabel“ und die Form „sinnlos“ 22 .

Meyer bemängelt weiter die „Verlogenheit, die durch das Herrenzimmer mit Diplomatenschreibtisch“ ausgedrückt werde, das in einem Haus zu finden war. Entgegen der Ansicht des Stadtrates war das Herrenzimmer „ein fester Bestandteil des [nationalsozialistischen] Wohnungsprogramms“, das nicht zuletzt die „patriarchalisch-autoritäre geschlechtsspezifische Rollenverteilung“ verfestigte. 23 Stadtrat Meyer hingegen vertrat die Ansicht, dass ein nationalsozialistischer Haushalt nach neuzeitlichen und einfachen Gesichtspunkten eingerichtet werden solle. Dagegen fand man in den Wohnungen die unterschiedlichsten Stile: In einem Haus dominierte Altertümliches, „um zu beweisen, daß man deutsch ist“, in einem anderen sachliche Stahlmöbel. 24

Aber nicht nur stilistisch, sondern auch formal konnten die Häuser nicht überzeugen. So befand sich beispielsweise im Musterhaus 20, dessen Architekt Emundts nach der Entlassung Peter Grunds die künstlerische Oberleitung in der Schlageterstadt übernommen hatte, 25 und von dem man eine besonders engagierte Leistung erwarten konnte, ein ‚Tochterzimmer‘, in welchem sich ein Ehebett befand. Im gleichen Haus gab es ein Kinderspielzimmer, aber kein einziges Bett für die Sprösslinge. Zudem war das Haus bei der Eröffnung nicht fertiggestellt. Die sechs Hausbüchereien für einen Arzthaushalt, einen Beamtenhaushalt usw., die von der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums zur Verfügung gestellt worden waren, konnten aufgrund Platzmangels in manchen der Häuser nur teilweise oder nicht sachgemäß untergebracht werden. So konnten im Musterhaus 81, das von den Deutschen Werkstätten eingerichtet wurde, nur 250 der 500 Bände untergebracht werden, weil nicht genug Regalmeter zur Verfügung standen. Die restlichen Bücher wurden notdürftig im Dachgeschoss untergebracht. 26 Maiwald beantwortete die Ausführungen Meyers mit dem folgenden Brief:

„In Beantwortung ihres Schreibens vom 28.6.1937 möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß die von ihnen angeführten Beanstandungen der Einrichtung der Musterhäuser sich zu einem gewissen Teil mit unserer eigenen Meinung und deren Einrichtung decken. Leider mußte mancher Kompromiß eingegangen werden, da wir bei der Beschaffung der Möbel auf nicht vorauszusehende Schwierigkeitengestoßensind.?Grundsätzlich kann von allen Musterhäusern gesagt werden, daß mit wenigen Ausnahmen die vorhandenen Räume durch die in der Möbelproduktion zur Verfügung stehenden Einrichtungen nicht möbliert werden können. Von dem zunächst naheliegenden Gedanken, die Einrichtung der Musterhäuser nach Zeichnung vornehmen zu lassen, mußten wir Abstand nehmen, da die finanzielle Belastungen durch diese Lösung untragbar waren. Auch unsere Hoffnungen, vom Handwerk die geeigneten Stücke zu bekommen, sind fehlgeschlagen, da das Handwerk nicht in der Lage ist, Möbel zu liefern. Dazu kommt, daß auch gewisse materielle Schwierigkeiten und auch Arbeitsschwierigkeiten in der Möbelindustrie vorherrschen, so daß – ganz allgemein gesprochen – das Interesse der deutschen Möbelindustrie an der Möblierung der Häuser mehr als gering ist.

Nur unserem guten Zureden und den langwierigen Verhandlungen ist es zu danken, daß wir wenigstens einige Zimmer einrichten konnten und wir sind dauernd bemüht, die Sachen noch auszutauschen und zu verbessern. Eine weitere Schwierigkeit bestand auch darin, daß es wohl heute kaum einen Menschen geben wird, der sich ein neues Haus und gleichzeitig neue Möbel leisten kann, ganz abgesehen davon, daß er auch in der Lage sein wird, wenn auch wenige, so doch gute ererbte Stücke mitzubringen. Wir haben uns daher auch entschlossen, in einigen Fällen die Verwendung alter Stilmöbel zu zeigen.? […] Was in Sonderheit das Haus der NS-Kulturgemeinde, das Sie namentlich anführen, anbetrifft, so habe ich mich heute selbst davon überzeugt, daß die Möbel in dem Wohnraum handwerklich erstklassig und geschmacklich einwandfrei sind und ebenfalls das Kinderzimmer jeden Wünschen gerecht wird. Der alte Webstuhl im Kinderzimmer hat dort nichts zu suchen und wird entfernt werden. Die Angelegenheit ist schon vor Eintreffen Ihres Briefes mit der NS-Kulturgemeindebesprochenworden. ?Was Form und Farbe der Dauerbrennöfen in diesem Haus anbetrifft, so kann ich mich ihrer Ansicht nicht anschließen. Wenn sie auch nicht das Ideal darstellen, so muß ich darauf hinweisen, daß die Bausumme die Verwendung der Daueröfen verlangt.?In dem Musterhaus Nr. 20 sind die Möbel ausgewechselt worden. In dem ehem. Tochterzimmer war ein Einzelbett, während sich jetzt das Doppelbett auf die Bezeichnung „Töchterzimmer“ bezieht. Das Schildwarversehentlichnichtgeändert? Das daneben befindliche Kinderzimmer enthält im Augenblick noch kein Bett, da es von der betreffenden Stelle noch nicht geliefert worden ist. Leider ergeben sich immer wieder Lieferungsverzögerungen und Beschaffungsschwierigkeiten, so daß sich daraus manche Unfertigkeit und unnötige Zwischenlösungen ergeben. […]“ 27

Aus den bruchstückhaften Beschreibungen wird das Bild einer geschmacklich stark variierten Einrichtung gezeichnet, häufig modisch oder verkrampft ideologisch bestimmt. Waren die Einrichtungsstile der einzelnen Musterhäuser auch unterschiedlich, so versuchte man dennoch dem Bedürfnis der Mittelschicht, die die Massenbasis des Nationalsozialismus bildete, nach „kleinbürgerlicher Behaglichkeit“ 28 und dekorativer Überfrachtung nachzukommen und so den Eindruck zu vermitteln, „daß das nationalsozialistische System ihren Interessen diente“. 29

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1. StAD iv 18217, Brief vom 11.9.1937
2. HuG-29, o.S.
3. BSW 1937 (a):279
4. Flemmig 1937 (a):188
5. Emundts 1937:96
6. Die NS-Kulturgemeinde war 1934 aus dem Kampfbund für Deutsche Kultur und der Deutschen Bühne entstanden. Alfred Rosenberg hatte diese Organisation gegründet um sie als Instrument für die Verwirklichung seiner kulturpolitischen Ziele zu nutzen, vgl. Wulf 1989:118.
7. Das Schlafzimmer in Esche in diesem ‚Haus eines Prokuristen‘ wurde mit von Bruno Paul designten Möbeln eingerichtet, obwohl er bereits 1933 seines Amtes als Direktor der Vereinigte Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin enthoben worden war, da seine Person den Nationalsozialisten nicht genehm war, Günther 1992:26
8. StAD xviii 1791, o.D.
9. StAD xviii 1779-1781
10. StAD xviii 1791, Protokoll vom 22.10.1936
11. StAD xviii1779-1781. Die 1914 von A. Fischer u.a. gegründete Essener Raumkunstgruppe hatte bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine Zusammenarbeit mit der Fa. Eick angestrebt, Busch 1993:33f
12. StAD xviii 1791
13. StAD xviii 1779
14. StAD NL Emundts 5
15. StAD xviii Hausakte Grundstück 64
16. Emundts 1937:96
17. Weingarten 1937 (a):354
18. Vor allem in den Fachzeitschriften wurde häufger vom „Bauernhausstil“ gesprochen, begründet durch typisch niederrheinische Stilmerkmale wie Balkendecke, Satteldach und weiße Schlämmung. Es wurde aber dabei übersehen, dass diese traditionellen Elemente nur ein Teil der Hausgestaltung ausmachten und z.B. durch die zahlreichen großen Fenster und die Innenaufteilung eine Ähnlichkeit zu den alten Bauernhäusern kaum zu erkennen war. Zudem hatte es in den alten, gewachsenen Siedlungen kaum Einzelhäuser gegeben, sondern unregelmäßig miteinander verbundene Wohn- und Arbeitsräume.
19. Vgl. Behme 1937 (b):324
20. Behme 1937 (b):324
21. Behme 1937 (b):324
22. StAD xviii 1792, Brief vom 28.6.1937; StAD NL Ebel 123 Brief vom 28.6.1937
23. Petsch 1983:80
24. StAD xviii 1792, Brief vom 28.6.1937
25. StAD xviii 1780, o.D.
26. StAD xviii 1792, Brief vom 29.6.1937
27. StAD xviii 1792, Brief der Ausstellungsleitung an Stadtrat Meyer vom 16.6.1937
28. Petsch 1983:81
29. Petsch 1983:81

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