Die Gestaltung der Häuser (b)

Die  Hausgärten

Die Gärten der Musterhäuser wurden von dem Münchener Gartenarchitekten Alwin Seifert gestaltet. Seifert hatte als „Landwirtschaftlicher Berater beim Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen“ Fritz Todt bereits seit 1934 reichsweiten Einfluss auf die Gestaltung der Umwelt. Unter Todt setzte er sich für die landschaftliche Einbindung der Reichsautobahnen in die Umgebung ein. Sein Ziel war es, die Führung der neuen Straßen den natürlichen Gegebenheiten folgend in die Umgebung zu legen und durch heimische Bepflanzung in die Landschaft zu integrieren. Sein Bemühen um und Drängen auf eine naturverbundene Gestaltung – auch im technischen Bereich, wie beispielsweise im Brückenbau oder bei der Errichtung von Tunnels und Trockenmauern – wurde nicht nur in Deutschland anerkannt. Auch international erwarb sich Seifert durch seine Arbeit einen Namen. 1 Dass die Einheit von Natur und Kultur für ihn kein Widerspruch war, bewies Seifert auch in den Düsseldorfer Mustergärten. „Die Natur aber ist (…) ein geschlossener lebendiger Organismus, in dem jedes einzelne kleinste Glied auf jedes andere abgestimmt ist und jede Veränderung eines Teils auf alle übrigen sich auswirkt. (…) Wo eine nur-technische Einstellung diese [Harmonie] zerschlägt (…) ist Untergang die Folge.“ 2 Anstelle modischer Motive suchte er einen universellen, bürgerlichen Stil, um Einfachheit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit im Einklang mit der Architektur der Häuser vorherrschen zu lassen. 3 Die Beschränkung auf eine einfache Form bei bester Ausführung und Qualität des Materials sollten bei einem „Minimum an Pflegearbeit ein Maximum an Gartenfreude bieten“ 4 . Seifert hatte das Ziel, die Gärten so einfach zu gestalten, dass „jedermann sich im Rheinland fragen möge, wozu man hierfür einen Münchener holen mußte.“ 5 Garten und Haus sollten eine Wohneinheit bilden, was bedeutet, dass nur das in die Gartengestaltung integriert werden durfte, was „im Grundriß des Hauses und seiner Stellung im Grundstück schon angelegt ist und durch die Größe und die Lage des Bauplatzes gewissermaßen selbst danach drängt, ins Leben zu treten.“ 6 Um seine Botschaft zu verdeutlichen, schuf er ergänzend einen „ Greuelgarten“ für die Gartenausstellung, der mit „Kitsch und verlogener Romantik“ ein Negativbeispiel für die Anlage eines Kleingartens aufzeigen sollte. 7 Hier wurden formlose Beete mit „unmöglicher Bepflanzung“ gezeigt, verziert mit bunten Figuren: Pilze, Rehe, Hasen, holzhackende und rauchende Zwerge sowie ein als Jäger verkleideter Dackel. 8

A733 Der zur Straße liegende Garten von GS 21, Architekt H.N. Schröder Q MB 1937.367
A733 Der zur Straße liegende Garten von GS 21, Architekt H.N. Schröder Q MB 1937.367

In der Schlageterstadt sollte die Einheit von Haus und Garten durch einen „direkten Zugang“ von der Küche, dem Wohnzimmer und dem Esszimmer zum Garten betont werden, wobei der Fußboden „nicht mehr als zwei Stufen über dem Gelände“ liegen sollte. 9 Lage und Grundriss des Hauses sollten sich nach dem vorhandenen Baumbestand und nicht an den berechneten Baulinien orientieren. Das Haus sollte um der besseren Lichtverhältnisse willen möglichst an der Nordgrenze des Grundstücks liegen, während der normalerweise übliche, auf der Schattenseite liegende Vorgarten durch schmale Grünstreifen ersetzt werden sollte.

Die Anpassung des Gartens an das Haus konnte nur in enger Zusammenarbeit mit den Architekten gelingen, „je besser das Haus war, umso leichter formte sich der Garten.“ 10 In diesem Sinne wurden die Architekten bereits im Dezember 1935 durch Seifert geschult. 11 Um auch eine Einheit mit der Landschaft zu erzielen, war eine Bepflanzung mit einheimischen Bäumen und Sträuchern unumgänglich. Diesen Anforderungen sollten alle Gärten genügen, damit die Siedlung auch in ihrer äußeren Gestaltung eine einheitliche Wirkung erzielen konnte. Die Entwürfe der Gartengestalter der Privathäuser bedurften daher ebenso wie die Pläne der Architekten der Zustimmung der Ausstellungsleitung und hatten sich an Seiferts Richtlinien zu halten. Der Garten selber war als Wohngarten geplant, der den Bewohnern zur Entspannung dienen sollte und daher möglichst pflegeleicht sein musste. Um die mit maximal 300 qm relativ kleinen Gärten – Grund hatte in seinen ersten Plänen eine weite Räumlichkeit gefordert, 12 die aber einer starken Verkleinerung der Grundstücke zum Opfer fiel 13 – möglichst groß wirken zu lassen, blieb der Mittelteil frei und Wege wurden nur sparsam verlegt. Die Bepflanzung musste sich auf die Randregionen des Grundstücks konzentrieren. Dort sollten Laubbäume, Eiben und Stechpalmen als Unterpflanzung vor dem Einblick von außen schützen. 14 Blumenbeete sollten ans Haus oder an die Mauer gelegt werden. 15 Für den Aufenthalt im Garten standen Sitzplätze zur Verfügung. Falls die Größe des Grundstücks noch einen Wirtschaftsteil zuließ, so musste dieser streng sachlich mit Nord-Süd-Richtung der Beete aufgebaut sein. 16 Um die Gärten planen zu können, erhielt Seifert von den Architekten der Musterhäuser einen Grundriss mit Angaben über Lage der Türen und Fenster der Häuser, dem Verlauf und Höhe der Gartenmauer auf dem Grundstück und ggf. Unebenheiten des Bodens 17 eingetragen waren.

A735 Gartenseite eines weiteren Siedlungshauses Q Baumeister 12.1937.371
A735 Gartenseite eines weiteren Siedlungshauses Q Baumeister 12.1937.371

Seifert hatte den Auftrag nur widerstrebend entgegengenommen, da für seine Arbeit bis zur Ausstellungseröffnung nur sehr wenig Zeit blieb. 18 Auch wenn es nicht möglich war, gewachsene Gärten zu präsentieren, so konnten wenigstens bei den zuerst fertiggestellten Künstlerhäusern die Gärten so früh angelegt werden, dass sie bei der Ausstellungseröffnung zumindest ansatzweise erkennen ließen, was bei der Gestaltung beabsichtigt worden war. 19 Andere Gärten konnten erst kurz vor der Eröffnung fertiggestellt werden. Die Situation der völlig überlasteten Baumschulen, in welchen nur noch „Überbleibsel von Sträuchern und Stauden“ aufzutreiben waren, machte die Ausführung der Gartenpläne nicht einfacher. 20 Zum guten Schluss wurden in den Gärten noch bis zu einen Meter hohe Keramikvasen, Töpfe und Schalen aus dem Westerwald aufgestellt, deren Anordnung Seifert persönlich festlegte. 21

A740 Gartenplan von A. Seifert (GS 20) Q StAD NL Emundts 49
A740 Gartenplan von A. Seifert (GS 20) Q StAD NL Emundts 49

Die Künstlerhäuser

Die Wohnsiedlung wurde durch elf Einfamilienhäuser für Künstler, ein Künstlergemeinschaftshaus und einen Ausstellungsraum ergänzt, die sich sämtlich auf den Grundstücken 7-17 der Straße 2 befanden 22 und dort die sogenannte Künstlersiedlung bildeten. Sowohl die Wohnhäuser, die Platz für zehn Künstler mit Familie boten und jeweils einen ca. 500 qm großen Garten besaßen, als auch das Gemeinschaftshaus mit weiteren elf Atelierwohnungen für ledige Künstler, wurden auf Kosten der Stadt errichtet und an Künstler vermietet. Düsseldorf verstand sich als Kunststadt und meinte als solche die Verpflichtung zu haben, die Ateliernot durch die Erbauung dieser Häuser zu mindern. 23 Diese Ansicht war sicherlich ehrenhaft und richtig, da es in einer Zeit großer Wohnungsnot besonders an hellem und großzügigem Atelierraum mangelte. Um das Wohlwollen der Stadt zu unterstreichen, wiesen Professor Grund und andere Mitglieder der Ausstellungsleitung immer wieder auf die besonderen Leistungen der Stadt hin, die hier zusätzlichen Atelierraum geschaffen habe. 24 Dabei wurde nicht erwähnt, dass durch den Umbau der Neuen Akademie 52 Künstler ihren Wohn- und Arbeitsplatz verloren hatten und somit nicht 22 Künstler neuen Arbeitsraum gefunden, sondern vielmehr 30 Künstler diesen verloren hatten. Zudem hatte der ehemalige Besitzer des Gartengeländes, Peter Janssen, beim Verkauf die Bedingung gestellt, dass die Künstlersiedlung gebaut werden müsse, damit preiswerter Wohnraum für Düsseldorfer Künstler geschaffen werde. 25

A741 Die Grundstücke 12, 11 und 10 (v.l.) in der Künstlersiedlung Q MBS 1937.233
A741 Die Grundstücke 12, 11 und 10 (v.l.) in der Künstlersiedlung Q MBS 1937.233

Peter Grund hatte das Recht oder die Pflicht, die Architekten für die Künstlersiedlung auszuwählen. Zu dem Kreise der Erlesenen gehörten so renommierte Namen wie Helmut Hentrich oder Karl Früh, der schon die „Joseph-Goebbels-Jugendherberge“ in Düsseldorf-Oberkassel gebaut hatte. 26 Die Planung des Gemeinschaftshauses und des dazugehörigen Ausstellungsraums wurde Hans Junghanns übertragen. Diese Architekten (Heuser, Reese, Beucker, Thoma, Hübbers, Junghanns, Hartdegen, Dierichsweiler, Früh, Boms und Hentrich) 27 hatten die Aufgabe, Einfamilienhäuser unter Berücksichtigung folgender Merkmale zu bauen:

„- Massivbauweise mit Hohlschicht, 30-32 cm Außenwände
– Kelleraußenwände: Beton
– Außen über dem Sockel werden die Häuser geschlemmt [sic!] – Sockel selber soll nicht höher als 30 cm sein und dunkel gestrichen werden
– die Oberkante der Hängeringe (25 cm Zuschnitt) ist 3,40-3,50 m vom Erdboden entfernt
– Dachneigung 40°- 45°
– Fenster als Zargenfenster, nur das Atelierfenster kann einfaches Eisenfenster sein
– Schlagläden haben keine Jalousien, sondern profilierte Verbretterung
– der Hauptgesimmsabschluß besteht aus einem einfachen Brett, mit Xylamon behandelt
– der Giebel besteht aus ausgeschnittenen kleinen Stirnbrettern
– Fußboden im Flur aus Klinkern oder Ton oder Solnhofer Platten, in der Küche und im Wohnraum Holzboden, im Atelier Plattenboden oder Zementplatten
– Atelier hat eine Türe nach draußen
– Atelier und Wohnräume werden durch Kachelofen beheizt“
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Genau wie für die privaten Wohnhäuser galt auch für die Künstlersiedlung die Orientierung am niederrheinischen Stil, wie er auch heute noch bei Bauernhäuser in einigen Teilen Düsseldorfs (etwa Himmelgeist, Urdenbach oder Niederkassel) zu finden ist. Da sowohl Planung als auch Bau der Künstlerhäuser schon begonnen hatte, als die Vergabe der restlichen Grundstücke an private Bauherren noch nicht abgeschlossen war, hatten die Künstlerhäuser, genauso wie die Musterhäuser, eine gewisse Vorbildfunktion für die privaten Bauherren. Optisch unterschieden sich die verschiedenen Haustypen kaum voneinander; der Unterschied beschränkte sich auf funktionelle Merkmale und damit im wesentlichen auf die innere Raumaufteilung: In jedem Künstlerhaus war ein Atelier vorhanden, welches den besonderen Lichtbedingungen genügte. Die hierfür notwendigen großen Fenster machten den einzigen Unterschied nach außen hin sichtbar. Die Kosten für die Künstlerhäuser sollten 7.500 RM nicht übersteigen, was inklusive Nebenkosten 29 einen Gesamtpreis von 13.000 RM bedeutete und damit zu der untersten Preiskategorie der Haustypen gehörte. 30 Auch bei diesen Häusern kam es zu Kostensteigerungen um bis zu 2.000 RM.

Das Ergebnis

Durch die strenge Vorgabe der äußeren Merkmale bei freier Grundrissgestaltung und die rege Inanspruchnahme des Einspruchsrechts der Ausstellungsleitung bei der äußeren Gestaltung der Häuser entstand eine einheitliche und trotzdem abwechslungsreiche Siedlung, die bis zum heutigen Tag als vorbildhaft gilt. Besonders in dem Künstlerviertel ist der Grundsatz ‚Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der Einheit‘ erfüllt worden. Diese Leistung gänzlich der Ausstellungsleitung anzurechnen, wäre allerdings verfehlt, denn sie war immer bestrebt, durch Peter Grund bzw. die künstlerische Oberleitung entworfene Typenhäuser zu errichten. Das letztlich verwirklichte Konzept war keine bewusste gestalterische Entscheidung, sondern lediglich eine widerwillige Reaktion auf die Forderungen des Regierungspräsidenten.

A756 Schlageterstadt Q HStAD RW 229-43492 (Ausschnitt)
A756 Schlageterstadt Q HStAD RW 229-43492 (Ausschnitt)

Im Gegensatz zur äußeren Einheitlichkeit bewegte sich die Aufteilung der Zimmer und deren Einrichtung in einem so weit gespannten Rahmen, dass neben den Künstlerhäusern, die nur einfache Wohnverhältnisse boten, auch Raumaufteilungen gezeigt wurden, die den Bewohnern eine großbürgerliche, teilweise fast feudale Lebensweise boten. 31 Die bürgerliche Raumaufteilung der Wohnung in Wohnzimmer, Esszimmer, Schlafzimmer und Küche wurde von den Nationalsozielisten unverändert übernommen. 32 Eine Abgrenzung zur Weimarer Republik ist daher nicht zu erkennen, wie überhaupt die nationalsozialistischen Mustersiedlungen nichts Neues zu bieten hatten.

Der offiziell angestrebte einheitliche und zeitlose Stil – das Mobiliar sollte Generationen überdauern – und eine „klassenlose Alltagskultur (…) frei von sozialen Differenzierungen und zersetzenden Einflüssen der kapitalistischen Industriegesellschaft“ 33 , wurde bei der Einrichtung der Musterhäuser der Schlagetersiedlung nicht erreicht. Ganz im Gegenteil:Beim Vergleich der Häuser innerhalb der Schlagetersiedlung war die Heterogenität sowohl im Mobiliar als auch in der Grundrissgestaltung und der Aufteilung der Wohnräume ebenso groß wie beim Vergleich der Schlagetersiedlung mit der Wilhelm-Gustloff-Siedlung.

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1. So meinte das Schweizer Werkbundorgan ‚Das Werk‘ der Schrift Seiferts ‚Im Zeitalter des Lebendigen‘ vorbehaltlos zustimmen zu können, auch wenn „allen Schriften, die von offiziellen Persönlichkeiten des nationalsozialistischen Regimes ausgehen, mit der größten Zurückhaltung zu begegnen (sei).“ Das Werk 12.1940:306ff
2. Seifert 1941:11
3. Schneider 1937:433
4. Seifert 1939:175
5. Seifert 1939:175
6. Seifert 1939:172
7. Tapp 1939:108
8. Riefenstahl 1937 (e):481
9. Seifert 1939:172
10. Seifert 1939:172
11. StAD xviii 1778
12. Grund 1937 (e):597
13. Beucker 1937:590
14. Seifert 1939:175
15. Flemmig 1937:187
16. Seifert 1939:175
17. StAD xviii 1790, Protokoll vom 22.12.1936
18. Seifert 1939:170
19. Seifert 1939:170
20. Seifert 1939:171
21. StAD XVII 1790, o.D.
22. Eine Ausnahme war das Grundstück 13, welches eigentlich auch zur Künstlersiedlung gehörte, aber von einem städtischen Direktor gebaut und bezogen wurde.
23. Grund 1937 (b):342
24. Grund 1937 (a):81
25. Mündl. Auskunft Frau Jungbluth Oktober 1997
26. Hüttenberger 1989:546
27. StAD xviii 1785, o.D
28. StAD xviii 1785, Protokoll vom 18.3.1936 29. Die Nebenkosten setzten sich aus folgenden Positionen zusammen: 300 RM für Anschlüsse, 560 RM für Mauer und Zaun, 2.500 RM für die Freilegung, Straßen und Beleuchtung, 2.500 RM für den Garten, 700 RM Architektenhonorar und 240-270 RM für die Bauleitung, StAD xviii 1787 30. Stadtrat Meyer hatte sich bereits im Oktober 1935 dafür eingesetzt, dass Künstlerhäuser gebaut werden sollten. Er hatte vorgeschlagen, zehn Häuser für ledige Künstler für je 4.000 RM und zehn Häuser für verheiratete für je 7.500 RM zu errichten. StAD xviii 1885, Protokoll vom 19.10.1935 31. Dieser Stil entsprach der bevorzugten Wohnform der Gauleiter und anderer NS-Funktionäre, vgl. Petsch 1983:78 32. Petsch 1983:80 33. Petsch 1983:80

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