Der Bau der Schlagetersiedlung

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Um die Fertigstellung der Häuser bis zur Eröffnung sicherzustellen, wurde durch die Ausstellungsleitung ein Zeitplan vorgegeben, der von den Architekten unbedingt eingehalten werden musste. In der Bauwirtschaft übliche Verzögerungen wurden eingerechnet, daher setzte man den Termin zur endgültigen Fertigstellung der Häuser auf den 1.12.1936, um noch etwas Spielraum zu haben. Bis zum 5.9.1936 hatten die Pläne für die Baupolizei vorzuliegen, was bedeutete; bis dahin musste somit auch die künstlerische Leitung diesen zugestimmt haben. Abzugeben waren

für die Baupolizei:

– 2 Zeichnungen des Wohnhauses (gegebenenfalls mit Garage), davon eine auf Leinen, im Maßstab 1:100

-2 LagepläneimMaßstab1:200

-2 Baubeschreibungen

-3 statischeBerechnungen

– 1 Gesuch an die Baupolizei

für die Ausstellungsleitung:

– 1 Zeichnung des Wohnhauses (gegebenenfalls mit Garage) im Maßstab 1:100

– 1 Lageplan 1:200

für die Steuerermäßigung: 1

– 1 Zeichnung des Wohnhauses (gegebenenfalls mit Garage) im Maßstab 1:100 2

Die Straßen

Um mit den Bauarbeiten auf dem Siedlungsgelände beginnen zu können, mussten zunächst einige Voraussetzungen erfüllt sein. So sollten die Versorgungsleitungen zu den einzelnen Grundstücken bereits verlegt und die Straßen befahrbar sein. Die Durchführung dieser Arbeiten gehörte zum Aufgabenbereich der Stadt und war bis zum Beginn der Bauarbeiten zugesagt. Dies war eine der wesentlichen Voraussetzungen, um die Häuser bis Ende 1936 fertigstellen zu können, wie es im Erbbauvertrag festgelegt war. Die wenigen Bauherren, die diesen Zeitplan eingehalten hatten, machten aber die Erfahrung, dass noch im Januar die Straßen nicht soweit befestigt waren, dass man sie als begehbar bezeichnen konnte. Die Lage wurde durch Rheinhochwasser und Winterwetter verschärft, so dass sich die Straßen in ein Schlammeer verwandelten. Aufgrund massiver Beschwerden seitens der Bewohner wurde daraufhin am 9. Januar ’37 von der Ausstellungsleitung beschlossen, dass die Straßen zumindest provisorisch in Ordnung gebracht werden sollten. 3 Die Aufstellung der Laternen und die Versorgung mit Mülltonnen war bis zu jenem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht geschehen. 4

A750 Die Häuser an der Karl-Kleppe-Straße (v.l. GS 85, 84, 83 und 82) Q MB 1937.368
A750 Die Häuser an der Karl-Kleppe-Straße (v.l. GS 85, 84, 83 und 82) Q MB 1937.368

Das fertige Wegenetz bestand aus einer Reihe schmaler Anliegerstraßen ohne befestigte Bürgersteige, die für die Bedürfnissen der Siedlungsbewohner völlig ausreichten und den Durchgangsverkehr fernhielten. Die teilweise gebogenen Wohnstraßen mit „anheimelnden Winkeln“ – wie in alten niederrheinischen Dörfern 5 – lagen tiefer als die vorbeiführende Durchgangsstraße, die durch einen Baumstreifen von der Siedlung getrennt war. 6 Die Bürgersteige wurden durch einseitige, nicht eingezäunte Vorgartenstreifen ersetzt, die die Hausbesitzer zur Verfügung zu stellen hatten. 7 Ihnen folgend gelangte man zum Dorfanger, vereinzelt fand man Bäume und Sträucher, hier und da soll ein „Hauch von dem Anger der Dörfer zu spüren“ gewesen sein, „der einst Ausdruck und Wohnstätte echter Volks und Schicksalsgemeinschaften“ war. 8 Die Gestaltung der Wege verlieh der Siedlung nicht nur einen dörflichen Charakter, sondern war vor allem preiswert.

Die Benennung der neu angelegten Straßen scheint zunächst Schwierigkeiten bereitet zu haben. Im Juni 1936 wählte man auf Vorschlag der Stadtverwaltung Namen von Kolonialpolitikern 9 wie Theodor Leutwein 10 oder Adolph Woermann. 11 Andere Namen stammten von Gegnern des Naziregimes wie Hans Freiherr von Soden, 12 der Gutachten gegen die Anwendung der Arierparagraphen erstellt hatte oder Wilhelm Solf, 13 um den sich ein Kreis von Widerstandskämpfern gebildet hatte. 14

Noch rechtzeitig vor der Ausstellungseröffnung fiel auf, dass diese Namen nicht den Erfordernissen entsprachen, und so wurden die Benennungen per Beschluss vom 16.1.1937 wieder geändert. Diesmal griff man zu Namen von Personen, die der nationalsozialistischen Weltanschauung näher standen, meist beim Aufstand an der Münchener Feldherrenhalle umgekommene ‚Alte Kämpfer‘, deren Namen sich als Straßenbezeichnungen schon in der Siedlung ‚ Ramersdorf‘ 15 bewährt hatten. 16 Eine Laforcestraße, Casellastraße, Hechenbergerstraße, Scheubner-Richter-Straße oder Bauriedelstraße gab es auch in der Münchener Siedlung, die im Zusammenhang mit der Ausstellung „Garten und Heim“, 1934 als Mustersiedlung entstanden war.

Die Bauphase

Nach der Anerkennung des Bauplans durch die Ausstellungsleitung konnten die Bauarbeiten beginnen. Mit dem Bau der Künstlerhäuser war bereits im April 1936 begonnen worden, als die Bewerbungsphase für die anderen Grundstücke noch nicht abgeschlossen war. Der Baubeginn der ersten Häuser, die von privaten Bauherren errichtet wurden, war etwa Mitte Juni 1936.

Durch die schlechte Bodenqualität kam es genauso wie bei den Gartenarbeiten und dem Hallenbau zu Schwierigkeiten. Reste der abgebrochenen Industriegebäude, die sich auf dem Gelände befunden hatten, machten aufwendige Ausschachtungsarbeiten notwendig und führten somit zu Verzögerungen. So z.B. auf Grundstück 60, wo eine fünf Meter tiefe Müllgrube die Arbeit erschwerte und Grundstück 72, wo Bauschutt, der nach den Sprengungen der Färberei liegen geblieben war, bis in einer Tiefe von 1,80 m unter Kellerniveau zu finden war. Die Mehrkosten hatten die Bauherren laut Erbbauvertrag selbst zu tragen, denn mit ihrer Unterschrift unter den Vertrag hatten sie sich damit einverstanden erklärt, dass „alle jetzt und in Zukunft aus dem Vertrag entstehenden Kosten“ zu ihren Lasten gingen. 17

Grundstück 48 stellte sich durch ein ‚Baggerloch‘, welches im hinteren Teil des Gartens lag, als unbebaubar heraus und wurde daher je zur Hälfte den angrenzend Grundstücken 47 und 49 zugeschlagen. Durch das Wasserloch waren auch die Nachbargrundstücke beeinträchtigt. Die Fundamentierung der Häuser wurde ungleich komplizierter und trieb die Baukosten unverhältnismäßig in die Höhe, zumal die Stadt noch vor der Ausschachtung gegen den Willen einer der Bauherren das Baggerloch mit Schutt aufgefüllt hatte, um die schlechte Qualität des Baulandes zu vertuschen. Die zusätzlichen Kosten, die durch besondere Fundamente und tiefere Ausschachtungen zustande kamen, übernahm die Stadt nicht, auch nicht teilweise, und berief sich dabei ebenfalls auf den Erbbauvertrag.

Diese Probleme waren nicht die einzigen, die während der Bauphase auftraten. Die Bauherren waren verpflichtet, ausschließlich Düsseldorfer Handwerksbetriebe zu beschäftigen, 18 die von der Ausstellungsleitung vorgeschlagen worden waren. Die Qualität ihrer Arbeit war häufig so unfachmännisch, dass sich die Architekten regelmäßig über mangelhaft ausgeführte Arbeiten oder Unachtsamkeiten, die die Arbeit anderer Handwerker wieder vernichteten, beschwerten. 19 Bauarbeiten wurden ohne Berücksichtigung der Architektenpläne ausgeführt, Anweisungen nicht befolgt, Fenster in der falschen Farbe gestrichen, frisch geputzte Wände durch die nachfolgenden Holzarbeiten wieder zerstört, ein Haus wurde bezeichnenderweise sogar in einem Braunton geschlämmt! 20 Die Handwerker erschienen den Architekten häufig unzuverlässig und langsam. Trotzdem war es ihnen nicht erlaubt, Firmen zu beschäftigen, mit denen sie langjährige Erfahrungen hatten. 21 Eine mangelhafte Bauaufsicht, die der Ausstellungsleitung unterstand, begünstigte diese Situation. Allein durch diese Unregelmäßigkeiten kam es während der Bauphase zu erheblichen Verzögerungen, die durch die schwierige Rohstofflage noch eskalierten. Zwar war es 1936 noch möglich zu bauen, was nur wenige Monate später aufgrund fehlender Baumaterialien wie Holz oder Stahl kaum noch der Fall war, dennoch stellte die Beschaffung von benötigten Baustoffen schon damals ein großes Problem dar. Besonders lange Lieferzeiten für Holz verzögerten die Fertigstellung der Häuser immer wieder. Für Verzögerungen und Fehler machte die Ausstellungsleitung prinzipiell die Architekten verantwortlich, auch wenn der Fehler eher bei der Ausstellungsleitung selber lag. Die Verzögerungen führten dazu, dass nicht nur der vertraglich festgelegte Einzugstermin zum 31.12.1936 von den meisten Bauherren nicht eingehalten werden konnte, sondern sie führten sogar soweit, dass einige Häuser bis zur Ausstellungseröffnung nicht fertig wurden, obwohl die Ausstellungsleitung im April nochmals darauf hinwies, dass die Häuser bis zum 28. April ’37 zumindest fertig aussehen mussten. Andernfalls würden die restlichen Arbeiten von der Ausstellungsleitung übernommen und auf Kosten der Bauherren ausgeführt. Baustellen, auf denen bis zum 15.11.1936 nicht mit der Arbeit begonnen worden war, wurden geschlossen. 22 Teilweise waren aus diesem Grunde Grundstücke schon am 22. September entzogen worden, so die Nummer 90 des Architekten Karl Haake, sowie eines der Grundstücke von Hans Kreitlow. 23 Allerdings scheint es, dass an manchen Häusern auch nach der Ausstellungseröffnung weitergearbeitet wurde, denn die Düsseldorfer Nachrichten erwähnt noch am 9. Mai „die kleine Stadt, an der noch immer eifrig gebaut wird“ 24 .

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1. Bereits seit der Verkündung des ersten Vierjahresplans 1933 gab es eine Steuerbefreiung für Wohnersatzraumbeschaffung, neue Kleinwohnungen und Eigenheime, Peltz-Dreckmann 1978:99
2. StAD xviii 1780, o.D.
3. StAD xviii 1816
4. StAD xviii 1779
5. Weingarten (c), 1937, HuG
6. Weingarten (c), 1937, HuG
7. Dies ist zurückzuführen auf die Forderung Seiferts, vgl. Seifert 1937:172
8. Seifert 1937:175
9. Mitteilungen für die Stadtverwaltung Düsseldorf vom 16.6.1936:76
10. Theodor Leutwein, * 1898, 1904, ehemaliger Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika
11. Adolph Woermann, Hamburger Kolonialpolitiker und Großkaufmann, Mitinhaber des Handelshauses Woermann, gründete 1880 die Deutsch-Westafrikanische Dampferlinie
12. Hans Freiherr von Soden, * 4.11.1881 in Dresden, 2.10.1945. Verfasser der Gutachten gegen die Anwendung der Arierparagrafen in der Kirche.
13. Wilhelm Heinrich Solf, * 5.10.1962, 6.2.1936, war Staatssekretär des Äußeren, leitete die Waffenstillstandsabkommen ein, ab 1919 Mitglied der DDP. Um ihn und seine Frau Johanna bildete sich der Solfkreis, eine Gruppe von Widerstandskämpfern des Dritten Reiches.
14. Die Namen dieser Personen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg im Düsseldorfer Süden zur Straßenbenennung verwendet.
15. Neben den Straßennamen sind weitere Gemeinsamkeiten der beiden Ausstellungen auffällig. So heißt es 1934 zur Münchner Siedlung: es herrsche „alter Baumbestand und das frische Grün nicht allzu regelmäßig angelegter Anger und Wiesen“, die Einfriedung sei „nieder und kaum sichtbar“, die „Straßen nicht schnurgerade gezogen, sondern leicht geschwungen und von verschiedener Richtung und Länge“, die Siedlung sei „hell und freundlich“, die Häuser „weiß getüncht“, Harbers 1934:368; vgl. auch Peltz-Dreckmann 1978:145f
16. Heute sind die Namen durch die jener Widerstandskämpfer ersetzt, die 1945 für die kampflose Übergabe Düsseldorfs an die Alliierten eingetreten waren und dafür am 16. April 1945 in der Schule an der Fährstraße hingerichtet wurden; alle Angaben entstammen dem Düsseldorfer Adressbuch von 1954. Eine Liste der Personen, deren Namen die Straßen in der heutigen Golzheimer Siedlung tragen, ist im Anhang zu finden.
17. §16 des Erbbauvertrags, StAD iv 391. Aufgrund häufiger Ersatz-Forderungen hatte ein Herr Ellermann, wahrscheinlich städtischer Angestellter, vorgeschlagen, diese Klausel in den Erbbauvertrag aufzunehmen, was auch gegen den Willen von Stadtrat Meyer, der für die Übernahme der Mehrkosten seitens der Stadt plädierte, geschah, StAD xviii 1780, o.D.
18. StAD xviii 1782, o.D.
19. StAD xviii 1787, o.D.
20. StAD xviii 1779, Hausakte Grundstück 4
21. StAD xviii 1791, o.D.
22. StAD NL Ebel 124, Protokoll vom 4.11.1936
23. StAD iv 18217
24. Kobbe 1937

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