Planungen 1934

Die Deutsche Werkbund-Ausstellung Düsseldorf 1935

Zwei Jahre später war die Idee der großen Ausstellung ‚ Die Neue Zeit‘ trotz neuer Werkbundführung und neuer Machthaber im Reich sicherlich nicht in Vergessenheit geraten. Im Gegenteil, die ‚Neue Zeit’mit neuen politischen Vorzeichen hatte 1933 erst begonnen. So lag es nahe, dass der Werkbundvorsitzende Lörcher und Professor Peter Grund, seit dem 15. Juni 1934 Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, die Idee einer Werkbundausstellung in Düsseldorf ansprachen, als die beiden im Verlauf des Jahres1934 Wettbewerbsentwürfe für das neue Schlageterforum und ein damit verbundenes Ausstellungsgelände begutachteten.

Auch Grund war an der Ausrichtung einer Ausstellung interessiert, bot sich doch hier die Gelegenheit, die lange Düsseldorfer Ausstellungstradition fortzusetzen. Wahrscheinlich hatten sich die beiden schon vorher auf einem Treffen in Bremen über die Ausrichtung einer großen Siedlungsausstellung ausgetauscht, denn in einem Brief vom Juni 1934 erwähnte Grund gegenüber dem Düsseldorfer Oberbürgermeister Wagenführ, dass der Werkbundvorstand schon hier die Zusage für eine solche Ausstellung gegeben habe. Aus diesem Brief geht der Stand der bis dahin erfolgten Planungen hervor:

„Für den Sommer 1935 war in Düsseldorf unter Führung des neuen Ausschusses für Ausstellungen 1 und dem Deutschen Werkbund, Berlin W 62 die große Siedlungsausstellung geplant. Es ist beabsichtigt, im Anschluß an das Ausstellungsgelände zwischen Stadion und Lohausen ein neues Wohngebiet aufzuschließen und für die Ausstellung ca. 20 kleine Wohnhäuser zu erbauen. Diese Wohnhäuser sollen mit Gärten versehen werden und auch durch hiesige Firmen eingerichtet und ausgestattet werden. Die künstlerische Ausgestaltung soll in Zusammenarbeit der Maler und Bildhauer erfolgen.“ 2

Allerdings waren die Vereinbarungen mit dem Deutschen Werkbund offensichtlich noch wenig verbindlich, denn eine alte Rivalin Düsseldorfs, die Stadt Köln versuchte aufgrund der Verhandlungen für die ‚Neue Zeit‘ ihre Rechte geltend zu machen und die Werkbundausstellung an sich zu ziehen. In dem Brief heißt es dazu weiter:

„Von diesem Vorhaben wurde die Stadt Köln vermutlich benachrichtigt, denn es hat sich vor kurzem der Oberbürgermeister der Stadt Köln an die Leitung des Deutschen Werkbundes gewandt, mit der Bitte, die große Werkbundausstellung in Köln veranstalten zu wollen. Gleichzeitig teilte der Oberbürgermeister der Werkbundleitung mit, dass aus einem Ausstellungsfonds von 1932 für diese Ausstellung 180000 RM zur Verfügung gestellt werden können.[…] Für die Stadt Düsseldorf ist die Werkbundausstellung von einer viel größeren Bedeutung als die diesjährige Kunstausstellung, da gerade die große Werkbundausstellung weit über die Grenzen des deutschen Vaterlandes hinaus Interesse erweckt. Das gesamte Volk nimmt regen Anteil und spielt es ja bei der jetzt in Angriff genommenen grossen Um- und Ansiedlung eine wesentliche Rolle. Ich bitte Sie nun, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, ein Schreiben an den Werkbund-Vorstand zu richten mit der bitte [sic], dass auf Grund der auf dem diesjährigen Werkbundtag in Bremen erhaltenen Zusage die Ausstellung 1935 in Düsseldorf zu veranstalten ist und dass die Vorarbeiten bereits in Angriff genommen sind. 3
Da die Siedlung im Anschluß an das geplante Schlageter-Forum ein neues Wohngebiet aufschließen soll, ist die Ausstellung auch siedlungspolitisch für Düsseldorf von großer Bedeutung. Selbstverständlich wird auch die Stadt Düsseldorf sich finanziell daran beteiligen. Da die große Werkbundausstellung 1914 in Köln stattfand, bitten wir den Werkbund-Vorstand die in Bremen gegebene Zusage zu halten, so dass die Werkbundausstellung in Düsseldorf stattfinden kann. Ein genaues Programm kann Ihnen in den nächsten 14 Tagen zugehen.“ 4

Nur fünf Tage später erhielt Grund die Zusage vom Werkbundvorstand: Die Ausstellung sei unter gewissen Bedingungen (u.a. Unterstützung durch die Stadtverwaltung) grundsätzlich genehmigt. 5

Da die Durchführung dieser „ersten großen Werkbundausstellung nach der Revolution“ für Düsseldorf von „grundsätzlicher Bedeutung“ und „sicher ungemein wichtig“ sei, bat Grund die Stadtverwaltung um größtmögliche Unterstützung für seine Arbeit. 6 Diese wurde zugesagt und am 21. September, auf der ersten Sitzung des vorbereitenden Ausschusses 7 beschlossen Oberbürgermeister Wagenführ, Akademiedirektor Peter Grund, Stadtrat Meyer, Direktor Bernhard Gerlach, Stadtrechtsrat Brückmann und Stadtrat Horst Ebel, dass die für Anfang Juni bis Ende September 1935 geplante Werkbundausstellung 8 „in großzügiger Weise“ aufgebaut werden solle. 9 Grund, Meyer und Ebel, der seit der Neugründung des Düsseldorfer Amtes für kulturelle Angelegenheiten 1933 dessen Leiter war, 10 wurden vom Oberbürgermeister beauftragt, die vorbereitenden Maßnahmen zu treffen. Die drei Herren schlugen nach altbewährtem Vorbild als Träger der Ausstellung eine Gesellschaft vor, an deren Spitze der Oberbürgermeister stehen sollte, unterstützt von einem ‚Führerrat‘, bestehend aus dem künstlerischen Leiter Peter Grund , Stadtrat Meyer, Horst Ebel sowie den Vertretern der Handwerkskammer, der Handelskammer, des Reichsverbandes der Industrie und schließlich des Deutschen Werkbundes. Als Schirmherrn wünschte man sich niemand geringeren als den ‚Führer‘ Adolf Hitler persönlich. Eine erste Anfrage hierzu sollte über Rosenberg bei dessen bevorstehendem Besuch gewagt werden. 11

Der Plan für eine zusammenfassende Schau, in der das „Wollen und Können der Wissenschaftler, Künstler, Architekten und Städtebauer“ 12 gezeigt sowie der „Lebenswille des deutschen Volkes“ 13 dokumentiert werden sollten, wuchs fortan kontinuierlich. Nur drei Monate nach der ersten Sitzung hatte sich das Bauprogramm für die Ausstellung bereits deutlich erweitert; aus den ursprünglich erwogenen 20 kleinen Wohnhäusern war eine ganze Siedlung geworden. Die folgenden drei Schwerpunkte sollten das Ausstellungsprogramm bilden:

„1. Bau von etwa 100 bis 150 Häusern auf dem oben besagten Gelände (in die Propaganda für die Ausstellung soll zweckmäßigerweise das Schlageter-Forum einbezogen werden).

2. Auf dem Gelände des Rheinparks sollen Wochenendhäuser errichtet werden, verbunden etwa mit einer Gartenausstellung. Ferner sollen dort ein Restaurant und ein Café, unmittelbar am Rhein gelegen, erbaut werden.

3. Im Kunstpalast soll unter Hinzuziehung der kleinen Ausstellungshalle eine Kunstgewerbeschau und eine Städtebauschau gezeigt werden.“ 14

Aufgrund der Vereinbarungen zwischen Akademiedirektor und Werkbund war sich die Stadt wohl sicher, die Ausstellung tatsächlich nach Düsseldorf holen zu können. Man ging bereits so weit, die Ausstellung in den lokalen Zeitungen anzukündigen. Am 22. September hatte man bekannt gegeben, dass der Düsseldorfer Sommer 1935 im Zeichen der „Großen Deutschen Werkbundausstellung 1935“ stehen werde, die vom 1. Juni bis zum 30. September „mit Genehmigung des Reiches“ und unter Teilnahme des Reiches, der Provinzen, der Gemeinde und der Industrie stattfinden werde. 15 Als der Werberat der Deutschen Wirtschaft auf diesen Artikel aufmerksam wurde, erhielt der Ausstellungsausschuss eine Rüge, denn Werbung für eine vom Werberat nicht genehmigte Ausstellung durfte es nicht geben. 16 Daraufhin teilte man der Presse mit, dass die Ausstellung auf einen unbekannten Zeitpunkt verschoben werden musste 17 und verständigte sich im Übrigen auf einmütiges Schweigen. Um eine Zustimmung nicht aufs Spiel zu setzen, durfte von den bisherigen Verhandlungen nichts mehr an die Öffentlichkeit dringen. 18

Offensichtlich befand man sich bereits zu diesem Zeitpunkt unter Zeitdruck, denn es wurde umgehend beschlossen, den im engeren Arbeitsausschuss sitzenden Peter Grund , 19 vom Oberbürgermeister telefonisch aus seinem Urlaub holen zu lassen, damit er unverzüglich die Pläne für die Ausstellung anfertigen möge. 20 Trotzdem war die Zeit so knapp, dass der Oberbürgermeister noch im Oktober an den Präsidenten des Deutschen Werberates schrieb:

„Wegen des großen Umfanges dieser gesamten Ausstellung habe ich mich entschlossen, die bereits für das Jahr 1935 vorgesehene Werkbundausstellung zu vertagen auf das Jahr 1937, da Düsseldorf in den Jahren 1935 und 1936 auch der Lösung anderer Städtebaufragen entgegengeht, die das Gesicht der Stadt grundlegend bestimmen werden. Ganz in der Nähe des vorgesehenen Ausstellungsgeländes befindet sich das Nationalheiligtum der Deutschen, die Todesstätte Leo Albert Schlageters, die in den kommenden beiden Jahren in großzügiger Weise durch Bepflanzung und Bebauung erschlossen wird zu einer wahrhaft monumentalen Weihestätte des deutschen Volkes. Hier wird ferner gleichzeitig die Reichsführerschule der Hitlerjugend erbaut werden, dazu Sport- und Spielanlagen. Das anschließende Gelände der jetzigen Golzheimer Heide wird ferner für die Siedlungszwecke erschlossen und mit 300 Siedlerstellen versehen werden, so dass Düsseldorf im Jahre 1937 einen einheitlichen Grüngürtel mit im besten Sinne mustergültiger Besiedelung besitzen wird, der aus dem Mittelpunkt der Stadt über den Hofgarten, die Rheinanlagen, die Werkbundsiedlung bis zum Schlageterpark reicht. Ferner ist bis zum Jahre 1937 der ganz großzügig geplante Hauptbahnhof der Stadt Düsseldorf neu gestaltet mit erstmalig hier durchgeführter neuer Bahnsteiggestaltung, so dass auch dem Besucher dieser kommenden Ausstellung schon bereits beim Betreten der Stadt ein neuer Bauwille entgegentritt.“ 21

Obwohl noch keine definitive Zusage des Deutschen Werkbundes vorlag, waren die Planungen bereits relativ konkret und vor allem umfangreich. Wagenführ beschrieb dem Werberat der Deutschen Wirtschaft das Vorhaben in einem Antrag auf Genehmigung der Ausstellung im Oktober 1934 folgendermaßen:

„Die Stadt Düsseldorf bereitet seit längerer Zeit eine Werkbundausstellung vor, die ein praktisches Beispiel des Siedlungsgedankens Adolf Hitlers bieten soll, in der Weise, daß wir für Volksgenossen aller Kreise eine Gartenstadt schaffen von ca. 150 Häusern. Diese Häuser sollen für die Volksgenossen bestimmt sein, die auch schon bei bescheidenen eigenen Mitteln durch die finanzielle Hilfe der Kreditinstitute des Reiches und der Stadt in die Lage versetzt werden, auf eigenem Grund und Boden ihr Haus zu errichten, das nicht nur im Sinne der Werkbundarbeit ein Beispiel künstlerischer Planung und architektonischer Leistung ist, sondern auch durch die Wohnkultur der Räume beispielhaft für die Verwendung der Ehestandsdarlehen ist. Außerdem wollen wir durch die neuzeitliche Gartengestaltung nicht nur Grünflächen für die Erholung der Kinder und der Berufstätigen schaffen, sondern auch durch entsprechende Bepflanzung einen Beitrag zur Sicherung der Volksernährung bieten. Diese im besten Sinne wegweisende Gartenstadt wird im Norden Düsseldorfs direkt am Rhein errichtet werden und gibt der Stadt nicht nur einen glücklichen Abschluß-punkt der gesamten Rheinfront, sondern schafft auch gleichzeitig die Verbindung zwischen dem heutigen Rheinparkgelände und dem bis dahin gestalteten Schlageterforum (siehe Plan). Auf diese Weise wird nicht nur ein neues Wohngebiet für die Bevölkerung geschaffen, sondern gleichzeitig auch städtebaulich eine der glücklichsten Lösungen neuzeitlicher Stadtgestaltung dargeboten. Die für die Bauten in Frage kommenden 4,3 Millionen Reichsmark tragen ferner wesentlich zur Belebung des Arbeitsmarktes bei und bilden ein wichtiges Glied des Arbeitsbeschaffungsprogrammes der Stadt Düsseldorf.
Die Ausstellung selbst wird ferner noch ergänzt werden durch eine Ausstellung des deutschen Kunsthandwerks und eine Städtebauausstellung, die in den bereits bestehenden Ausstellungshallen aufgebaut werden. Dazu kommt in das bereits bestehende Rheinparkgelände eine musterhafte Gartenbau- und Wochenendausstellung, so dass in einer großen Gesamtschau der Stand der deutschen Werkbundarbeit 1937 dokumentiert wird.“
22

Damit das sich über mehrere Jahre erstreckende Bauprogramm rechtzeitig fertiggestellt werden könne, bat Wagenführ um die grundsätzliche Genehmigung des Ausstellungsprojektes „Werkbundarbeit im Dritten Reich 1937“ 23 und verwies auf die große Tradition der Kunst- und Ausstellungsstadt Düsseldorf, für die die Ausstellung „ein wirklicher Fortschritt und ein Markstein in der Entwicklung der großen deutschen Ausstellung“ 24 sei.

Auch der neue Vorsitzende des Deutschen Werkbundes, Wendland, 25 setzte sich für Düsseldorf als Standort der Ausstellung ein:

„Sehr verehrter Herr Präsident!
Unter Bezugnahme auf die Unterredung mit Herrn Direktor Steinecker sowie mit Herrn Verkehrsdirektor Wülfing aus Düsseldorf bezüglich einer großen Werkbund-Ausstellung 1937 in Düsseldorf teile ich Ihnen hierdurch ergebenst mit, dass der Deutsche Werkbund sich mit einem solchem Plan gern einverstanden erklärt, wenn die Ausstellung das von dem Werkbund in Aussicht genommene Thema der Gartenstadtsiedlung in Verbindung mit deutscher Wertarbeit enthält. Über die Formulierung des Titels der Ausstellung wäre dann noch zu sprechen.“
26

Das Projekt schien gesichert, sofern der Werberat der Deutschen Wirtschaft sein Einverständnis geben sollte. Der Werkbund wollte die Gestaltungsprinzipien einer Gartenstadtsiedlung veranschaulichen- im Grunde ein Siedlungskonzept vom Ende des 19. Jahrhunderts – doch nun abgewandelt nach nationalsozialistischen Vorstellungen. Unerlässlich sei hierbei „die künstlerische Betätigung“, insbesondere des Kunsthandwerks. 27 Für diesen Bereich sollte Wendland verantwortlich sein. 28 Dieser konnte sich jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht eindeutig für Düsseldorf entscheiden, denn er hatte noch ein zweites Eisen im Feuer: Wie Grund bereits im Juni angedeutet hatte, verhandelte der Deutsche Werkbund ja zur selben Zeit auch mit der Stadt Köln über die Ausrichtung der Ausstellung: 29

„Wir planen ferner für das Jahr 1938 eine Werkbund-Ausstellung im Osten: in Königsberg oder Breslau und für das Jahr 1940 eine Ausstellung in Köln. Mit der Stadt Köln bestehen von Seiten des Deutschen Werkbundes insofern Abmachungen über eine Ausstellung, als der Werkbund der Stadt Köln eine internationale Ausstellung vom Jahre 1932 her schuldig ist. Die Verhandlungen in Düsseldorf ergaben: plant die Stadt Köln für das Jahr 1937 ebenfalls eine größere Ausstellung die den gleichen Charakter wie die Düsseldorfer Ausstellung haben sollte? Der Deutsche Werkbund hält sich an seine Verpflichtungen (eine Ausstellung in Köln auszurichten, A.d.A.) jedoch nur gebunden, wenn diese Ausstellung eine Internationale ist, d.h., wenn sie einst geplant, auch fremde Staaten teilnehmen können. Unseres Erachtens ist es jedoch zur Zeit nicht möglich, deshalb halten wir den Plan der Düsseldorfer Ausstellung für den günstigsten, zumal da hier auch bereits eine ziemlich weitgehende Finanzierung gesichert ist.
Ich wäre Ihnen, hochverehrter Herr Präsident, sehr dankbar, wenn Sie mir möglichst bald mitteilen könnten, dass von Ihrer Seite aus der Düsseldorfer Unternehmung nichts im Wege steht. Ein genauer Plan wird Ihnen von Seiten der Stadt Düsseldorf, der unter unserer Mitwirkung ausgearbeitet wird, zugehen.“
30

Im November 1934, einen Monat nachdem der Antrag an den Werberat geschrieben worden war, ließ das Einverständnis immer noch auf sich warten. 31 Am 5. Dezember stellte man erneut einen Antrag 32 und bat auch Wendland und Lörcher in Berlin um Unterstützung. Offensichtlich war man sich in Düsseldorf nicht bewusst, dass der Deutsche Werkbund gleichzeitig mit der alten Rivalin Köln in Verhandlung stand. Erst als im Januar Gerüchte kursierten, dass die Ausstellung bereits an Köln vergeben sei, 33 wurde man hellhörig. Köln hatte zwar den Zuschlag nicht erhalten, doch konnte Stadtrat Ebel am 18. Januar in einem vertraulichen Brief die Mitteilung lesen, dass eine Zusage des Werberates bisher daran gescheitert sei, dass Wendland noch nie zu einer gemeinsamen Sitzung erschienen war. 34 Offensichtlich wollte der Vorstand des Werkbundes eine Standortentscheidung so lange herauszögern, bis sich für ihn eine endgültige Klärung der Frage Köln oder Düsseldorf ergab. Diese Vermutung wird verstärkt durch ein Telefonat, in dem Lörcher gegenüber Ebel von „gewissen Schwierigkeiten mit Köln“ 35 sprach. Auch der Direktor der Kölner Ausstellungs- und Messegesellschaft, Compes, bestätigte, dass über die Frage der Werkbundausstellung keine Klarheit herrsche. Er wisse nur, dass für 1940 eine große Ausstellung des Deutschen Werkbundes nach Düsseldorf kommen solle, 36 was einmal mehr die allgemeine Verwirrung bestätigte. Das taktierende Verhalten von Wendland und Lörcher konnte in Düsseldorf nur als Verrat aufgefasst werden, zumal die beiden Werkbundvorsitzenden hier als eine Art Diplomaten für die Düsseldorfer Sache angesehen wurden, die in Berlin die Gelegenheit hatten, beim Werberat persönlich für das Projekt vorstellig zu werden. 37 Die Stadt Düsseldorf war sich des ambivalenten Verhaltens des Werkbundes durchaus bewusst, 38 doch blieb ihr lediglich die Alternative: entweder abzuwarten und gute Miene zum bösen Spiel zu machen oder freiwillig auf die Ausstellung zu verzichten. Im Falle einer Zusage an Köln hätte Düsseldorf verständlicherweise kein Interesse an der Ausrichtung einer Werkbundausstellung für 1937 gehabt. 39

Am 25. Februar 1935 stellte der Werberat 40 endlich die Genehmigung für die ‚Große Ausstellung Düsseldorf für Städtebau, Siedlung, Gartengestaltung, Kunsthandwerk und Gewerbe‘ aus, 41 wenn auch nur unter der Bedingung, dass der Name der Ausstellung geändert werde. 42 Düsseldorf konnte sich nun ernsthaft um die Vorbereitungen kümmern. Wendland begann mit Entwürfen für das Ausstellungsprogramm und während anfangs noch eine Siedlungsausstellung in bescheidenem Umfang und mit überschaubarer Thematik projektiert worden war, so ließen die neueren Pläne bereits erkennen, dass man zu einer umfassenden Darstellung der ‚Neuen Zeit‘ im ‚Neuen Reich‘ tendierte. Ein undatierter Entwurf, vermutlich von Anfang 1935, zeigt deutlich die Ausweitung der ursprünglichen Vorstellungen und die Entwicklung zu einer allumfassenden Themenausweitung:

„Vorläufiger Entwurf [o.D.] Ausstellung Schaffendes Leben, Düsseldorf 1937:
Name: Schaffendes Leben.
Der Titel muß schlagkräftig möglichst allgemein die ganzen Gebiete umreissen, die vielleicht auch ohne direkten Zusammenhang der Ausstellung eine besonders interessante Note geben könnten.
Aufgabe: Die Ausstellung soll alle wichtigen Gebiete schöpferischer Gestaltung umfassend zeigen. Sie sollen hier erstmalig als kulturelle Einheit nicht als Spezialgebiete ihre Daseinsberechtigung beweisen und darüber hinaus die geistig-künstlerische Arbeit der unsere Umwelt massgebend gestaltenden Menschen propagieren. Gerade Düsseldorf als alte Kunststadt scheint für diese Aufgabe besonders berufen zu sein. Für die Künstlerschaft selbst soll diese Ausstellung die Wege weisen, wie aus einer Arbeit für und miteinander allein die von allen erstrebte künstlerische Gesamtbildung wachsen kann, die berufen sein wird, die Grundlage eines neuen Stiles zu werden, den wir alle erstreben. Das Publikum soll aber in und an dieser Ausstellung die hohe Bedeutung künstlerisch und geistig schaffender Arbeit erkennen und seine Pflicht gegenüber den Schaffenden sehen lernen.
Der Aufbau: Der Aufbau der Ausstellung gliedert sich in 4 große Abteilungen und eine Sonderschau:

I. Die Lehrschau (in Hallen)

Der Deutsche Mensch und sein Raum

A. Der Deutsche Raum
a Volk ohne Raum: Probleme der Übersiedelung
b Volk im Raum: Probleme der Umsiedlung allgemein
c West-Ostsiedlung
d Stadt-Landsiedlung
e Neubildung des Bauerntums

B. Die Deutsche Landschaft
a Das Land
b Das neue Dorf
1. Umbau des alten Großbetriebes
2. Die neue Siedlung
c Die neue Straße
d Die neue Stadt
1. Sanierung der Altstadt
2. Die Neuanlage (Eigenheime, Kurzarbeiter)

C. Gestalter des Raumes
a Der Architekt – Städtebauer – Landschaftsgestalter
b Der Ingenieur
c Der Bauer
d der Städter (als Bauherr)
e Der bildende Künstler

D. Die geistigen Vorarbeiter und Verkünder
a Der Dichter
b Die Denker
c Die Musiker
d Schauspieler

E. Der Staatsmann als gestaltender Bauherr
Ehrenraum für den Führer
Die Bauaufgaben des Führers
a München
b Nürnberg
c Berlin
d-e usw.
die Autostraßen

F. Deutsche fern des deutschen Raumes
a Siebenbürgen
b Banat
c Rumänien
d Palästina
e Rußland
f Baltikum
g Nordamerika
h Südamerika
i Afrika

II. Die gebaute Heimstätte, der Deutsche Mensch und sein Heim
a Das Haus
b Der Garten
c Kunst am Haus als Lebensnotwendigkeit, nicht als Schmuck
d Kunst im Haus als Lebensnotwendigkeit, nicht als Schmuck
e Kunst im städtebaulichen Raum (Denkmal, Brunnen)

III. Gartenbauschau. Der Deutsche Mensch und seine Landschaft

a Der Park
b Das Haus in der Landschaft (Wochenendhaus), (Restaurant im Park)
d Sportplätze (Betätigung in der Landschaft)
e Eine kleine theoretische Lehrschau über die Gartenkunst

IV. Hallenschau. Der Deutsche Mensch und die Wertarbeit

a Kurze Lehrschau über den Wert der Arbeit
b Das Werk der Hände – im Werk des Geistes
c Das Werk der Maschine und das Werk der Hand
d Die Deutschen Lande in der Werkkunst, gegliedert nach
den Gauen der NSDAP
e Die deutschen Lande außerhalb des Reiches in der Werkkunst

Nachbemerkung: In dieser Abteilung sollen alle Landschaften in ihren besten Erzeugnissen zu Worte kommen, vornehmlich im Kunsthandwerk, ergänzend in Plastik, Tafelbild, Photos und Modellen von Bauwerken, sowie bester Gebrauchsware der deutschen Industrie. Arbeitende Werkstätten wie Webereien, Keramik, Glasbläser, Glasschleifer, Spielzeug und Holzschnitzer geben dem Ganzen eine besondere Note. Volkskunst und hohe Kunst sind eine Einheit.
V. Sonderschau (im Kunstpalast)
Diese gilt als Ergänzungsschau zu der Werkkunst, sie soll nur Gemälde, Plastiken und einige Kunstgewerbe sowie Modelle und Photos deutscher Bauwerke der letzten Jahre, Rechenschaftsbericht und vorbildliche Auswahl im Sinne des Kunstprogramms des Führers, zeigen.
Nachbemerkung: Auf dem Gelände muß ein genügend großer Raum für Pavillons der Industrie vorgesehen werden. Dsgl. Milchhäuschen, Zeitungs- und Buchhäuschen, Ruhe- und Erholungsstätten.“ 43

Wendland veränderte und erweiterte das Programm für die Ausstellung mehrfach um es an die Erfordernisse des ’neuen Staates‘ anzupassen. So erschienen in späteren Entwürfen von Wendland z.B. wichtige propagandistische Organisationen wie die ‚Kraft durch Freude‘ und die ‚Deutsche Arbeitsfront‘. Themen wie Rassekunde, Vererbungslehre, die ’schwarze Schmach‘ (Kriegsverlust und Ruhrbesetzung) und Kolonialkultur wurden ebenso in das Programm aufgenommen. Aber auch weniger politische Sachgebiete wie Krankheitsbekämpfung und Hygiene oder die neue Ernährung (vegetarisch, biologisch, Rohkost) sollten in der Ausstellung präsent sein und das Bild vervollständigen. 44

Erstaunlicherweise entwickelte sich das Programm immer weiter in die von Ernst Jäckh bereits 1929 vorgegebene Richtung. Das endgültige Programm der Ausstellung ‚ Schaffendes Volk‘ sollte schließlich mehr Ähnlichkeit mit der Konzeption der ‚Neuen Zeit‘ haben als mit den ersten Programmentwürfen Wendlands für die große Düsseldorfer Ausstellung. Genauso wie die für Köln geplante Ausstellung sollte auch die Düsseldorfer Variante ein neues Zeitalter thematisieren – diesmal nicht das Zeitalter des Ausgleichs sondern das des ‚Tausendjährigen Reiches‘. Das Programm der ‚Neuen Zeit‘ hatte Jäckh im Jahr 1929 in den folgenden Punkten zusammengefasst:

1. Das Weltbild
2. Formung des Menschen
3. Beherrschung der Stoffe und Kräfte
4. Bauen und Wohnen
5. Landesplanung und Städtebau
6. Gestaltung des Staates
7. Ordnung der Welt

Vergleicht man diese sieben Oberthemen mit dem später noch im Einzelnen beschriebenen Programm der Ausstellung ‚Schaffendes Volk‘ so finden sich erstaunliche Parallelen: Bauen und Wohnen als Metapher für den Zeitgeist sollten ebenso ein elementarer Teil der Düsseldorfer Ausstellung werden wie die Beherrschung der Stoffe und Kräfte 45 , die Landplanung und der Städtebau, die Gestaltung des Staates und die – nunmehr nationalsozialistische – Sicht auf die Ordnung der Welt. Der als Einführung in die Ausstellung geplante Teil ‚Weltbild‘ wurde beim ‚Schaffenden Volk‘ durch eine Vorworthalle mit gleicher Funktion ersetzt. Die ‚Formung des Menschen‘, die in Wendlands frühen Entwürfen noch eine zentrale Rolle spielte, verlor in Düsseldorf ihre Eigenständigkeit und wurde stattdessen in die Gesamtausstellung integriert, wo man sie vor allem in erzieherischen Einrichtungen wie dem BDM-Haus oder dem HJ-Heim wiederfinden konnte.

Bedeutendster Unterschied zu den Plänen von Ernst Jäckh war der Bezug bzw. die Beschränkung auf das deutsche Volk. Hier wurde eine grundlegende ideologische Kehrtwende deutlich. Während die ‚Neue Zeit‘ gerade die internationale Zusammenarbeit fördern und internationale Entwicklungen aufzeigen wollte, sollte die neue Ausstellung die Aufgabe haben, die ’neue Zeit‘ in Reduktion auf das nationalsozialistische Deutschland und das deutsche Volk darzustellen.   [→ weiter]


1. Grund meinte hiermit wahrscheinlich das Amt für Ausstellungs- und Messewesen, das die Aufgabe besaß, für die Gestaltung und Durchführung von Ausstellungen und Messen nach nationalsozialistischen Gesichtspunkten Sorge zu tragen, vgl. StAD xviii 1705, Brief vom 14.5.1936
2. StAD NL Ebel 123, Brief von Peter Grund an OB Wagenführ vom 21.6.1934
3. Mit den Vorbereitungen meinte Grund wahrscheinlich die Planungenfür das Schlageterforum, das sowohl ein Ausstellungsgelände und neue Siedlungen vorsah. Vgl. 9.4.1
4. StAD NL Ebel 123, Brief von Peter Grund an OB Wagenführ vom 21.6.1934
5. StAD NL Ebel 123, Brief von Peter Grund an OB Wagenführ vom 21.6.1934
6. StAD NL Ebel 123, Brief von Peter Grund an OB Wagenführ vom 21.6.1934
7. Huffschmidt 1937 (c) DN 9.5.1937
8. Für diese Zeit waren bereits zwei weitere Ausstellungen geplant, nämlich ‚Die Kamera‘ im Juni /Juli und die Defra (Die deutsche Frau) im September. Um die Werkbundausstellung nicht zu beeinträchtigen durften diese lediglich in der großen Ausstellungshalle auf dem alten Gesoleigelände stattfinden; StAD NL Ebel 123, Brief von Ebel an OB Wagenführ vom 21.9.1934
9. StAD NL Ebel 123, Brief von Stadtrat Ebel an OB Wagenführ vom 21.9.1934
10. Alberg 1987:42
11. StAD NL Ebel 123, Brief von Stadtrat Ebel an OB Wagenführ vom 21.9.1934
12. Bücher 1937:428
13. Bücher 1937:428
14. StAD NL Ebel 123, Brief von Stadtrat Ebel an OB Wagenführ vom 21.9.1934
15. DN Nr. 477 vom 22.9.1934
16. StAD xviii 1705
17. StAD xviii 1705 Brief vom 2.11.1934
18. StAD iv 565, Protokoll vom 15.11.1934
19. StAD iv 565, Protokoll vom 4.10.1934
20. StAD iv 565, Protokoll vom 4.10.1934
21. StAD iv 565, StAD xviii1703, Brief des OB an den Präsidenten des Werberates der Deutschen Wirtschaft vom 20.10.1934
22. StAD xviii 1703, Brief von OB an den Werberat vom 20.10.1934
23. StAD iv 565, StAD xviii1703, Brief des OB an den Präsidenten des Werberates der Deutschen Wirtschaft vom 20.10.1934
24. StAD iv 565, StAD xviii1703, Brief des OB an den Präsidenten des Werberates der Deutschen Wirtschaft vom 20.10.1934
25. Der Werkbund war am 10.Juni 1933 gegen die Stimmen von Gropius, Wagner und Wagenfeld gleichgeschaltet und „gereinigt“ worden: Der DWB wurde in die KfdK eingegliedert und beschloss den Ausschluss seiner nichtarischen Mitglieder, der Vorstand wurde durch den neuen (kommissarischen) Leiter und SA-Mann Weißler.54 mehr zu Lörcher in Teut.87 Carl Christian Lörcher sowie vier Beisitzer ersetzt. Einer dieser vier Beisitzer und gleichzeitig Lörchers Vertreter war der Architekt Winfried Wendland, Kommissar des Preußischen Kulturministeriums.. Er war unmittelbar an der Schließung des Bauhauses beteiligt (Weißler 1993:54) und hatte auf der Weltausstellung in Chicago und auf der Triennale in Mailand Erfahrungen im Ausstellungswesen gesammelt; Teut 1967:71; Weißler 1993:54
26. StAD xviii 1703, Brief von Wendland an den Präsidenten des Werberates vom 23.10.1934
27. StAD iv 565, Protokoll vom 15.11.1934
28. StAD iv 565, Protokoll vom 4.10.1934. Wendland forderte an gleicher Stelle, dass der Künstler sich dem Architekten unterzuordnen habe. Genau dieses Schicksal sollte ihn bald ereilen, als Grund als architektonischer Ausstellungsleiter Wendlands Aufgaben mitübernahm und Wendland somit seinen Einfluss auf die Gestaltung der Ausstellung verlor, StAD iv 565, Protokoll vom 4.10.1934
29. In ‚Die Form‘ 4.1934 wird mitgeteilt, dass es Ausstellungsplanungen für eine Ausstellung „Das Heim des Volkes“ in Köln gebe, evtl. stand diese im Zusammenhang mit dem Düsseldorfer Problem.
30. StAD xviii 1703, Brief von Wendland an den Werberat vom 23.10.1934
31. StAD iv 565, Protokoll vom 17.11.1934
32. StAD xviii 1705, Brief vom 25.2.1935
33. StAD xviii 1705, Brief von Ebel an Wendland vom 17.1.1935
34. StAD xviii 1705, Brief von ‚Erich‘ [?] an Horst Ebel vom 18.1.1935
35. StAD xviii 1705, Notiz von Ebel vom 16.1.1935
36. StAD xviii 1705, Brief vom Institut für Wirtschaftspropaganda an Ebel vom 23.1.1935
37. StAD xviii 1705, Brief von Wendland an das Düsseldorfer Propagandaamt vom 10.12.1934
38. StAD xviii 1705, Brief des Propagandaamtes an den Werberat vom 11.2.1935
39. StAD xviii 1705, Brief von Ebel an den Werberat vom 17.1.1935
40. Zum Werberat für Deutsche Wirtschaft vgl. 3.2.1
41. StAD xviii 1705, Brief des Werberates vom 25.2.1935
42. StAD iv 565, Protokoll vom 1.3.1935
43. StAD NL Ebel 123. Dieser vorläufige Entwurf weist starke Ähnlichkeiten mit einem weiteren Entwurf vom 27.5.1935 auf, der allerdings die Ausstellung nicht in „4 große Abteilungen“ unterteilt, sondern lediglich in eine Hallen- und eine Freilandschau. Weitere Unterschiede beziehen sich v.a. auf Details der Planungen.
44. StAD iv 565, Juli 1935
45. Diesen Punkt erläuterte Jäckh in der Form 15.1929 u.a. mit folgenden Worten: „Bearbeitung des Materials, seine Gestaltung und Formung, schließlich auch Normung, im Gerät, in der Apparatur des Lebens, Erzeugung, Verbrauch, Verteilung. Also das Reich der Maschine und der Mechanisierung, des Handwerks, der Technik (zerstörend und befreiend) und der Materie: Eisen, Stahl, Metalle, Stein, Holz, Papier, Leder, Linoleum, Kautschuk, Glas, Keramik, Farben, Textilien usw. Auch hier keine bloße Warenschau, sondern themagemäße Aufgabenstellung wie etwa: neue Materialien, organische und anorganische, und neue Möglichkeiten.“ Vergleicht man Ernst Jäckhs Ausführungen, so kann man zumindest in diesem Punkt kaum mehr einen Unterschied zwischen der Programmatik der ‚Neuen Zeit‘ und der ‚Schaffendes Volk‘ erkennen.

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