Die Gestaltung und die Inneneinrichtung des Musterhauses auf Grundstück 74 wurde von dem Düsseldorfer Architekten Hanns Hübbers entworfen und unter seiner Leitung für insgesamt 45.275,13 RM ausgeführt. Als ‚vollelektrisches Musterhaus‘, von der Düsseldorfer Installationsfirma Max Knettel ausgestattet, 1 hatte es nicht nur die Aufgabe, „als ein Musterbeispiel deutscher […] Wohnkultur“ zu dienen, sondern „gleichzeitig als Vorbild für einen neuzeitlichen vollelektrischen Haushalt“ 2 . Daher wurden die Siemens-Schuckert-Werke von der AL damit beauftragt, die Installation und Ausstattung mit „arbeitssparenden elektrischen Geräten“ 3 vorzunehmen. Das eingeschossige Wohnhaus lag auf einem Eckgrundstück und war weit in das Grundstück hineingeschoben. Nordöstlich des Hauses befand sich eine Garage, die bis an die Straße vorgezogen war und gemeinsam mit der Rückseite des Hauses einen Wirtschaftshof bildete, der gegen das Nachbarhaus durch eine Buchenhecke eingegrenzt war. Der Rest des Hauses wurde von einem gut 600 qm großen Garten umlagert, der von der 1,10 m hohen geschlämmte Mauer umgeben war. Sowohl das Haus als auch die Garage waren mit dunklen Hohlziegeln gedeckt. Das Satteldach des Hauses war nur durch ein einziges Fenster auf jeder Seite und einen doppelten Kamin in der Mitte des Daches aufgelockert. Der Grundriss des Hauses war im Erdgeschoss längsseitig in zwei Hälften geteilt, von welchen eine Diele, Bad und Küche mit Vorratskammer und Besenschrank aufnahm. Die andere Hälfte beherbergte einen Essraum, einen Wohnraum mit eingebautem Kamin und verputzter Balkendecke und – im Gegensatz zu den meisten anderen Häusern – das Elternschlafzimmer mit eingebauten Schränken und direkter Verbindung zum Bad. Zum Garten gelangte man entweder über die Küche oder über eines der Schiebefenster im Wohnzimmer, die auf die Terrasse führten und so die direkte Verbindung des Wohnbereichs zum Garten herstellten. Das ausgebaute Dach mit durchtapezierten Decken und Wänden nahm neben dem Kinderzimmer, einem Fremdenzimmer und verschiedenen Abstellkammern auch einen Raum für das Personal auf. Einen weiteren reinen Wohnraum hinzuzufügen, hielt Hübbers für unerwünscht. 4 Die Fußböden in der Wohnung waren im Ess- und Wohnzimmer mit naturfarbenem Eichenparkett in Fischgrätmuster, in der Küche, Speiseschrank und Putzschrank mit schwarzweißen Steinplatten ausgelegt, die Toiletten und der Flur waren mit Solnhofer Platten bedeckt und das Schlafzimmer und das gesamte Obergeschoss hatte braunen und dunkelgrünen Linoleumfußboden. 5 Die Wände der Wohnung waren teilweise gestrichen (Toilette, Flur, Treppenhaus und Fremdenzimmer Decken und Wände), teilweise tapeziert (Schlafzimmer, im großen Zimmer im Obergeschoss Decken und Wände); Küche, Toilette und Bad verfügten über einen Plattensockel, darüber ein Anstrich. Alle elektrischen Installationen wie Steckdosen und Lichtleitungen wurden vom Architekten bereits bei der Planung des Hauses berücksichtigt und vor der Fertigstellung des Hauses eingebaut. Im Haus waren zahlreiche Steckdosen vorhanden, die alle etwa 20 cm über der Fußleiste lagen und als Mehrfachkombinationen mit anderen Schaltern neben Türen zu finden waren. Die bereits in der Planung berücksichtigten elektrischen Anschlüsse erlaubten eine saubere Verlegung unter Putz und erleichterten die „zweckbedingte, künstlerische Einordnung“ 6 ohne Mehrkosten. Um die einfachen, ruhigen Wandflächen nicht zu unterbrechen, wurden nicht nur die Leitungen unter Putz gelegt, sondern auch weitgehend elektrische Geräte in die Wand eingebaut (Sicherungskasten) oder in Schränken verstaut (Warmwasserboiler, Kühlschrank). Die Einrichtung der Räume wurde von Ernst Walther nach dem Möblierungsplan von Hans Hübbers ausgeführt. Hübbers sah für den Wohnraum, das sogenannte „Kamin- oder Gartenzimmer“ eine spartanische Möblierung vor, die sich auf ein „Bücherregal oder einen anderen größeren Schrank an der Wand zum Schlafzimmer“ oder „Sesselplätze vor dem weit herausragenden Kamin mit einem Kleintisch zum Heranrücken“ beschränkte, auch wenn das nicht den Vorstellungen der Möbelindustrie entspreche. 7 Die Kücheneinrichtung bestand aus einem Tisch und zwei Stühlen, einem elektrischen Herd mit vier Kochplatten, einer ‚Feuerton-Doppelspüle‘ und einem Speiseschrank mit integriertem, 60 cm x 60 cm großen Kühlschrank. Im ausgebauten Keller befand sich eine Waschküche, die sich eines offenen Herdfeuers zur Erhitzung des Wassers bediente. Neben einem fahrbaren Spülbottich gab es dort Scheuerhaken, Besen, Zangen, einen Feuerkorb und Feuerböcke. Die Beleuchtung als „künstlerisches Hilfsmittel“ 8 setzte Hübbers abgestimmt auf die Zwecke der verschiedenen Räume ein. So wurde das Kinderzimmer von einer gelblichtarmen Neophanleuchte erhellt, um „die Farbigkeit des Raumes lebhafter und wärmer erscheinen zu lassen“ 9 . In den Zweckräumen kamen Beleuchtungskörper zum Einsatz, die alle Bereiche gut erleuchten, ohne jedoch starke Schlagschatten zu werfen oder zu blenden. 10 Außen waren ebenfalls Lampen angebracht, so auf der Verandaseite jeweils zwischen Fenster und Schiebetüre und eine Lampe im Eingangsbereich zwischen der Haustüre und dem Eingangstörchen.
Das Haus wurde erst Anfang April im Rohbau fertiggestellt und war daher bei der Eröffnung weder eingerichtet noch für die Besucher zugänglich. Diese unangenehme Situation führte dazu, dass man bestrebt war, den unhaltbaren Zustand so schnell wie möglich zu ändern. Allerdings führte diese Eile zu einigen eklatanten Fehlern. Fast einen Monat nach der Ausstellungseröffnung lagen die Einrichtungsgegenstände der Firma Siemens-Schuckert noch unausgepackt zwischen Gartengeräten in der unfertigen und schmutzigen Garage. Sie zwar pünktlich angeliefert worden – allerdings geschah dies zu einem Zeitpunkt, als das Haus noch im Rohbau stand – und so hatte man sie später schlicht vergessen. In der Küche hatte man sogar ein Erzeugnis einer anderen Firma aufgestellt 11 . Dies war aber nicht der einzige Mangel, über welchen sich die Elektrofirma ärgerte, denn auch die spätere, fertig eingerichtete Küche gab zu Beschwerden Anlass, da sie von dem Aufsichtspersonal und Mitarbeitern anderer Firmen unzulässigerweise benutzt wurde, ohne dass man sie reinigte. Neben den elektrischen Geräten von Siemens – Staubsauger, Bohnermaschine, Bügeleisen, Küchenmaschine mit Zubehör zum Teigkneten, Fleischhacken etc., verschiedene Ventilatoren, Brotröster, Kaffeemaschine, Kaffeemühle, Herd, Kraftwascher, Wäscheschleuder, mehreren Heißwasserspeichern und dem schon erwähnten Kühlschrank – waren Teile in das Inventar geraten, die nicht in eine vollelektrische Küche passten, wie z.B. der Pristalit-Topf und die kleine handbetriebene Küchenmaschine. Aber auch Siemens-Schuckert hatte Fehler bei der Ausstattung begangen. So wurde z.B. eine Bügelmaschine geliefert, die eigentlich eher in einen Villenhaushalt passte, aber in diesem Haus keinen Platz fand. Siemens drohte damit, alle Geräte wieder abzuholen. 12 Neben Siemens-Schuckert gab es noch weitere Firmen, die das Musterhaus, bzw. den Garten, als Ausstellungsplatz nutzten. Eine Leipziger Firma hatte das Obergeschoss zu Werbezwecken mit ‚Sprimu-Dilutexol-Ölfrei‘ – Farben gestrichen. Das Obergeschoss war aber die ersten Wochen nach der Eröffnung nicht zugänglich, woraus sich ein Werbeverlust ergab, der von der AL nicht ersetzt wurde. Das Bild des Hauses als Negativbeispiel wurde durch die Bremer Firma Panhorst komplettiert, die einige der Räume und den Garten möblierte. Die Qualität der Möbel war so ungenügend, dass sich Hübbers bei der AL über die Ausstellung von Möbeln beschwerte, „wie sie schlechter in keinem Geschäft beschafft werden können“ 13 . Auch die Verkaufsmethoden der Bremer wurden gerügt, die jeden Besucher gleich in die auf dem Rasen stehenden Gartenmöbel „hineindrückten“, um ihnen Möbel „aufzuschwätzen“. Dabei hielten sie sich nicht an die Verpflichtung, keine Bargeschäfte abzuschließen, sondern nur Aufträge anzunehmen. Insgesamt war weder der Architekt noch die hier werbende Firma Siemens mit den Zuständen im Haus zufrieden; die verantwortliche AL unternahm nichts Ernsthaftes gegen diese Situation, obwohl auch sie mit dem Ergebnis des Hauses nicht einverstanden gewesen sein konnte. Die räumliche Aufteilung, insbesondere das Vorhandensein eines Zimmers für Hauspersonal und einer Küche, die keine gemeinsamen Mahlzeiten der Familie erlaubte, sondern einen gesonderten Essraum verlangte, wiesen auf eine eher großbürgerliche Struktur hin, die sich deutlich von den Wohnformen für die Unter- und Mittelschicht absetzte und wenig mit der vielpropagierten Gemeinschaft zu tun hatte.
1. S. 1937, S. 106
2. Hübbers 1937, S. 165
3. Hübbers 1937, S. 165
4. StAD xviii 1791, Hausakte Grundstück 74
5. StAD xviii 1791, Hausakte Grundstück 74
6. Hübbers 1937, S. 166
7. StAD xviii 1791, Hausakte Grundstück 74
8. Hübbers 1937, S. 167
9. Hübbers 1937, S. 167
10. Hübbers 1937, S. 167
11. StAD xviii 1792
12. StAD xviii 1792
13. StAD xviii 1791, Hausakte Grundstück 74